Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das falsche Opfer

Das falsche Opfer

Titel: Das falsche Opfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carter Brown
Vom Netzwerk:
Stimme.
    Johnny schaltete wieder ab und
blickte mich dann mit erhobenen Brauen an. »Ich glaube, Sie müssen einen Schuldkomplex
oder so was bei ihm ausgelöst haben, Al. Meistens unterzieht er sich nicht
einmal der Mühe, mit den Leuten zu sprechen, selbst wenn er mit ihnen
verabredet ist.«
    » Gestern
abend hat mir jemand Glück gewünscht, und das muß wohl den heutigen Tag
betreffen«, sagte ich ehrfurchtsvoll. »Erst verabrede ich mich mit einer
vollkommenen Schönheit, dann dringe ich ohne Verabredung bis zu Irving vor. Wer
weiß? — Bevor der Tag zu Ende ist, bekomme ich vielleicht sogar noch ein
freundliches Wort vom Sheriff zu hören.«
    »Die Tür dort rechts von
Ihnen«, sagte sie und machte eine Handbewegung. »Wenn er in irgendeiner Form reagiert,
dann schreien Sie laut, damit ich kommen und mir das ansehen kann. Ja?«
    »Wieso?«
    »In acht Monaten habe ich noch
nicht einmal eine Reaktion auf irgend etwas feststelllen können«, sagte sie mit zutiefst enttäuschter
Stimme. »Ein paarmal habe ich mit dem Gedanken gespielt, mich
splitterfasernackt auszuziehen und nur mit Bleistift und Notizblock in sein
Büro hineinzuspazieren — nur um zu sehen, was er dann tut. Aber ich kenne die
Reaktion schon. Er wird sagen: >Setzen Sie sich nicht in die Zugluft, Miss
Jones<, und wird anfangen zu diktieren.«
    »Sie sollten das gelegentlich
einmal bei mir ausprobieren, Süße«, sagte ich erregt. »Ich habe einen ganzen
Stapel unerledigter Post in meiner Wohnung zu Hause. Vielleicht heute abend ?«
    Ihre haselnußbraunen Augen wurden schmaler, während sie sich den Vorschlag durch den Kopf gehen
ließ. »Da ist nur etwas, worüber ich mir nicht ganz im klaren bin«, sagte sie schließlich. »Muß ich meinen eigenen Bleistift und Notizblock
mitbringen?«
    Ich schritt durch rosarote
Wolken auf Irvings Büro zu und wurde durch den Anblick seines prüden Gesichts
hinter dem Schreibtisch aus meiner Ekstase gerissen. Johnny hatte recht, dachte
ich. Niemand konnte in Philipp Irvings Anwesenheit ekstatische Gefühle hegen:
außer möglicherweise Sally Kramer? Ich wunderte mich.
    Er hatte sich seit dem
vorhergehenden Tag nicht verändert. Noch immer verschmolz er ordentlich und
unauffällig mit seiner Umgebung — aber hier an seinem gewohnten Aufenthaltsort
war die Wirkung noch deutlicher. Seine Augen hinter der viereckigen Brille paßten in der Farbe zu dem Schildpattrahmen und erinnerten
mich an zwei in dickem Schlamm schwimmende Amöben.
    »Es ist sehr freundlich von
Ihnen, so schnell zu kommen, Lieutenant«, sagte er mit trockener, farbloser
Stimme. »Bitte, setzen Sie sich.«
    Ich setzte mich ihm gegenüber
in einen Besuchersessel und zündete mir eine Zigarette an, während ich mich
bemühte, in dem, was er eben gesagt hatte, einen Sinn zu finden.
    »Ich habe dem Mädchen im Büro
des Sheriffs mitgeteilt, daß es sehr dringend sei«, fuhr er fort. »Aber ich muß
sagen, es ist sehr erfreulich, daß Sie persönlich gekommen sind, Lieutenant.«
Er warf einen Blick auf die zierliche, elegante goldene Uhr an seinem
Handgelenk. »Eine halbe Stunde nach meinem Anruf.«
    »Schließlich sind wir nur die
Diener des Volkes, Mr. Irving«, sagte ich in bestem Fernsehstil. »Sie alle sind
es ja, die unsere lausigen Gehälter bezahlen.«
    Er stützte die Ellbogen auf den
Schreibtisch und bildete sorgfältig mit den Fingerspitzen eine Pyramide.
»Wissen Sie, ich bin kein nachtragender Mensch«, sagte er munter. »Aber nach
unserem gestrigen Zusammentreffen gelangte ich zu einigen Erkenntnissen.
Erstens: Sheriff Lavers ist nicht nur ein Mann von
ungeduldigem und unberechenbarem Temperament, sondern auch ein Dummkopf.
Zweitens: Sie, Lieutenant, sind ein Polizeibeamter, mit dem sich zumindest
vernünftig reden läßt. Deshalb rief ich heute morgen begreiflicherweise Sie statt des Sheriffs an. Mehr noch, ich beabsichtige in
Zukunft nicht, mich mit Lavers zu unterhalten, wenn
es sich vermeiden läßt.« Er holte etwas tiefer Luft als gewöhnlich. »Ich denke,
ich habe mich klar ausgedrückt?«
    »Kristallklar«, stimmte ich zu.
»Was ist denn so wichtig, daß es mich bewogen hat, sofort zu Ihnen zu kommen,
nachdem ich Ihre eilige Botschaft erhalten habe?«
    »Während dieser unglücklichen
Besprechung gestern« — er schloß bei der quälenden Erinnerung eine Sekunde die
Augen — »wurden Motive für den Mordversuch an Mitch Kramer diskutiert. Ich
erwähnte, daß sich möglicherweise unter diesem Haufen schäbiger Schmarotzer

Weitere Kostenlose Bücher