Das falsche Urteil - Roman
oder?«
»Ja ...«
»Also? Wissen Sie, ob er zurückgekommen ist ... im Herbst oder zu irgendeinem anderen Zeitpunkt?«
»Angeblich ...«
»Ja.«
»Angeblich ist er damals gesehen worden.«
Er zog ein Taschentuch aus der Hosentasche und wischte sich die Oberlippe.
»Wann denn?«
»Ja, irgendwann im vergangenen August.«
»Aber seither hat er sich nicht mehr blicken lassen?«
»Ich glaube nicht.«
»Also nur einmal? Stimmt das? Er ist nur ein oder zweimal gesehen worden?«
»Ich weiß es nicht. Ich glaube es aber.«
»Von wem?«
»Entschuldigung?«
»Wer hat ihn gesehen?«
»Maertens, wenn ich das richtig in Erinnerung habe ... vielleicht auch Frau Wilkerson, ich weiß es nicht mehr genau.«
Münster machte sich Notizen.
»Und wo kann ich Maertens und Frau Wilkerson finden?«
»Maertens wohnt bei Niedermanns hinter der Schule, aber er arbeitet auf dem Friedhof. Da werden Sie ihn sicher finden, wenn Sie meinen ...«
Ihm versagte die Stimme.
»Und Frau Wilkerson?«
Der Kaufmann hustete und stopfte sich einige Pastillen in den Mund.
»Hat ein Haus oben im Wald. Rechts ... den Weg zu Verhaven hoch, meine ich.«
Münster nickte und klappte seinen Block zu. Als sie in den Laden zurückgingen, wagte Kaufmann Hoorne eine Frage.
»Hat er es wieder getan?«
Es war eigentlich mehr geflüstert. Münster schüttelte den Kopf.
»Nein«, sagte er. »Wohl kaum.«
»Willst du ein Stück?«
Rooth hielt ihm ein halb gegessenes Stück Schokoladenkuchen hin.
»Nein, danke«, sagte Münster. »Hast du die Omas ins Kreuzverhör genommen?«
»Mm«, sagte Rooth mit vollem Mund. »Gerissene Typen. Wollten ohne ihren Anwalt ihr Gebiss nicht einen Millimeter öffnen. Wohin gehen wir jetzt?«
»Zur Kirche. Der Totengräber hat ihn gesehen.«
»Gut«, sagte Rooth.
Maertens hob gerade ein Grab aus, als Münster und Rooth sich näherten, und Münster fiel plötzlich ein, wie er zu seiner Schulzeit einmal einen überaus pubertären Horatio gegeben hatte. Er lachte kurz bei dieser Erinnerung. Vielleicht traf die Behauptung des enthusiastischen kleinen Theaterlehrers wirklich zu und Hamlet war ein Stück, das für jede denkbare Lebenslage etwas enthielt. Er wagte jedoch nicht, sich in diesen Gedankengang zu vertiefen und fragte deshalb nicht, für wen dieses Grab bestimmt sei.
»Dürfen wir ein paar Fragen stellen?«, sagte Rooth als Erstes. »Sie sind Herr Maertens, ja?«
Der kräftige Mann nahm seine Mütze ab und richtete sich langsam auf.
»Absolut derselbe«, sagte er. »Und für die Polizei immer zu Diensten.«
»Hrrm«, sagte Münster. »Es geht um Leopold Verhaven. Wir wüssten gern, ob Sie ihn in letzter Zeit gesehen haben.«
»In letzter Zeit? Was verstehen Sie unter letzter Zeit?«
»Das letzte Jahr oder so«, präzisierte Rooth.
»Ich habe ihn gesehen, als er im vorigen Sommer zurückgekommen ist, mal überlegen, ich glaube, das war im August. Aber seither ist er nicht mehr hier gewesen.«
»Erzählen Sie«, sagte Münster.
Herr Maertens setzte seine Kopfbedeckung wieder auf und stieg aus seinem noch ziemlich flachen Grab.
»Tja«, sagte er. »Es war wirklich nur einmal. Ich war hier mit Unkraut jäten beschäftigt. Er kam mit einem Taxi, stieg vor der Kirche aus, ja, und dann ging er in den Wald hinauf, nach Hause, mit anderen Worten.«
»Wann war das?«, fragte Rooth.
Maertens dachte nach.
»August, wie gesagt«, sagte er dann. »Ende des Monats, wenn ich mich nicht irre.«
»Wissen Sie, ob sonst noch jemand ihn gesehen hat?«
Er nickte.
»Frau Wilkerson. Und vielleicht auch ihr Mann. Die wohnen da oben.«
Er zeigte auf das grauweiße Haus am Waldrand.
»Danke«, sagte Rooth. »Ich hoffe, wir dürfen Sie auch später noch einmal fragen.«
»Was hat er denn jetzt getan?«, fragte Maertens.
»Nichts«, sagte Münster. »Kennen Sie ihn?«
Maertens kratzte sich im Nacken.
»Früher einmal, vielleicht. Aber dann ist sozusagen aller Kontakt abgebrochen.«
»Das habe ich mir fast schon gedacht«, sagte Rooth.
Das Ehepaar Wilkerson schien sie erwartet zu haben, was an sich vielleicht kein Wunder war. Der Weg führte nur an die zehn Meter entfernt an ihrem Küchentisch vorbei, an dem jetzt Herr Wilkerson mit Kaffeetasse und Plätzchenschüssel saß und so tat, als lese er Zeitung. Seine Frau brachte eifrig noch Tassen für Münster und Rooth, und die beiden nahmen Platz.
»Danke«, sagte Rooth. »Das wird uns gut tun.«
»Habe mich zurückgezogen«, teilte der Mann
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