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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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empfangen?«
    »Ja.«
    Rooth betrachtete für eine Weile Diplome und Schläger.
    »Das klingt ein wenig seltsam, finde ich«, sagte er dann. »Haben Sie viele solcher Fälle?«
    »Keinen«, sagte der Inspektor. »Ich habe niemals etwas Vergleichbares erlebt.«
    »Entsetzliche Selbstkontrolle«, sagte der Fürsorgebeamte. »Ich habe mit Kollegen über ihn gesprochen, und wir stimmen so ziemlich überein ... an der Oberfläche, meine ich. Was darunter steckt, ist ein Rätsel.«
    Rooth nickte.
    »Warum interessieren Sie sich so sehr für ihn?«, fragte der Direktor. »Oder muss das geheim bleiben?«
    »Nein«, sagte Rooth. »Früher oder später kommt es ja doch heraus. Wir haben ihn ermordet aufgefunden.«
    Das Schweigen, das jetzt das Zimmer erfüllte, kam Rooth fast vor wie ein Stromausfall.

    »Also wirklich ...«, sagte der Fürsorgebeamte.
    »Aber was zum ...«, meinte Direktor Bortschmaa.
    »Sie brauchen das ja nicht sofort zu verbreiten«, sagte Rooth. »Wenn wir noch ein paar Tage Ruhe haben, ehe die Zeitungen uns auf den Leib rücken, sind wir wirklich dankbar.«
    »Natürlich«, sagte Bortschmaa. »Wie ist er ums Leben gekommen?«
    »Das wissen wir nicht«, sagte Rooth. »Uns fehlen bisher Kopf, Hände und Füße. Er ist verstümmelt worden.«
    »Großer Gott«, sagte Bortschmaa und Rooth hatte den Eindruck, dass die Sonnenbräune ein wenig verblasste. »Doch nicht der Tote, von dem die Zeitungen berichtet haben?«
    »Doch«, sagte Rooth.
    »Und wie lange ist er schon tot?«, fragte Joppens, der Fürsorgebeamte.
    »Schon ziemlich lange«, sagte Rooth. »Er ist erst nach acht Monaten gefunden worden.«
    »Nach acht Monaten?«, rief Joppens und runzelte die Stirn. »Das muss ja unmittelbar nach seiner Entlassung gewesen sein.«
    »Am selben Tag, glauben wir.«
    »Er ist am selben Tag ermordet worden?«
    »Vermutlich.«
    »Hm«, sagte Bortschmaa.
    »Hier drinnen besteht doch eine gewisse Sicherheit«, sagte Joppens.
    Sie schwiegen eine Weile. Rooth merkte, dass er hungrig wurde und fragte sich, warum zum Henker die anderen ihm nichts anboten.
    »Hatte er jemals Urlaub?«, fragte er.
    »Das wollte er nicht«, antwortete Bortschmaa. »Und hier wird niemand gezwungen.«
    Rooth nickte. Was konnte er sonst noch fragen?

    »Und Sie haben also keinen Verdacht«, sagte er nachdenklich, »keine Vorstellung, wer ihn vielleicht ermordet haben kann?«
    »Haben Sie eine?«, fragte der Fürsorgebeamte.
    »Nein«, gab Rooth zu.
    »Wir auch nicht«, sagte der Direktor. »Nicht die geringste Ahnung. Er hatte hier doch keinerlei Kontakt. Weder guten noch schlechten ... irgendwer muss draußen auf ihn gewartet haben.«
    Rooth seufzte.
    »Ja, vermutlich.«
    Dann dachte er wieder eine Weile nach.
    »Diese Frau«, sagte er dann. »Die ihn besucht hat, im vorletzten Jahr oder wann auch immer, wer war das?«
    Bortschmaa sah den Fürsorgebeamten an.
    »Das weiß ich nicht«, sagte er.
    »Ich auch nicht«, sagte Joppens. »Aber wir können im Protokoll nachsehen, wenn Sie das wissen wollen.«
    »Warum nicht?«, sagte Rooth.
     
    Die beiden Frauen im Archiv mussten eine Weile suchen, aber endlich näherten sie sich dem fraglichen Datum.
    Dem 5. Juni 1992. Einem Freitag.
    Die Frau hieß Anna Schmidt.
    »Adresse?«, fragte Rooth.
    »Das steht hier nicht«, sagte die etwas ältere Frau. »Das ist nicht nötig.«
    »Nur der Name?«
    »Ja.«
    Rooth seufzte.
    »Wie sah sie aus?«
    Die beiden zuckten mit den Schultern.
    »Können Sie feststellen, wer damals Dienst hatte und wer sie gesehen haben kann?«
    »Ja, sicher.«

     
    Auch das brauchte seine Zeit, aber inzwischen konnte Rooth immerhin in die Kantine gehen und sich zwei Käsebrote einverleiben, ehe die richtige Person gefunden worden war.
    »Sie sind Emmeline Weigers?«
    »Ja.«
    »Und Sie hatten am 5. Juni 1992 im Besucherzimmer Dienst?«
    »Ja, sieht so aus.«
    »An dem Tag hatte Leopold Verhaven Besuch. Das war doch sehr ungewöhnlich.«
    »Ja.«
    »Können Sie sich daran erinnern?«
    »So ungefähr.«
    »Aber das ist doch fast zwei Jahre her.«
    »Ich weiß das noch, weil er es war. Wir haben darüber gesprochen. Er war doch ziemlich... eigen, das wussten alle.«
    »Bekam er sonst keinen Besuch?«
    »Nein, nie.«
    »Können Sie diese Frau beschreiben?«
    »Nicht sehr gut, fürchte ich. Ich weiß es nicht mehr genau. Ziemlich alt, auf jeden Fall. Um die sechzig, vielleicht. Ein wenig kränklich. Brauchte einen Stock...«
    »Würden Sie sie erkennen?«
    Sie dachte kurz

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