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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H kan Nesser
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Restaurant mit Pizza und Pasta. Er beschloss, sich damit zu begnügen. Mit Schwester Marianne war er für fünf Uhr verabredet und hatte deshalb nicht unbegrenzt Zeit.
    Die Hauptsache war auch nicht das Essen. In allererster Linie ging es um ein Glas Rotwein und eine Zigarette.
    Und darum, dass er sich auf das bevorstehende Gespräch konzentrieren musste. Natürlich hatte er schon viele schwierige Unterhaltungen führen müssen, aber diesmal kam doch noch etwas dazu, das war ihm schon klar gewesen, als er sich an diesem Morgen auf den Weg gemacht hatte. Etwas, das
sich ihm entzog und das er wohl schon vor langer Zeit aus der Kontrolle verloren hatte.
    Ein Spiel, in dem er weitaus mehr eine Spielfigur war als ein Mitspieler. Das war an sich kein neues Gefühl; nur eine Manifestation oder eine Variante der alten deterministischen Vorstellung, vermutlich; diese unergründliche Frage nach Muster und Ordnung im Dasein. Nach zunehmender oder abnehmender Entropie.
    Nein, diese Überlegungen über die Willkürlichkeit des Lebens, mit denen er vor kurzem geflirtet hatte, konnten in ihm in diesem Moment keine größere Begeisterung erwecken.
    Denn wenn es nun einen Schöpfer oder eine Macht gab – oder zumindest ein allsehendes Auge –, dann musste dieses große Wesen von seiner erhöhten Position aus schließlich die Linien, die Adern in Zeit und Raum entdecken. Diese aus der normalen Froschperspektive so unbegreiflichen Strukturen.
    Und den inneren Zusammenhang und die Konsequenz aller Handlungen. Wie sollte es das sonst alles sehen können? Sie mussten doch für eine Gottheit die eigentlichen Kategorien ausmachen.
    Die Muster.
    Und wenn nun kein höheres Wesen existierte – wäre das denn überhaupt ein Unterschied?
    Wie war das noch mit Anselm und dem Gottesbeweis? War es ihm nicht immer schon schwer gefallen, dessen Pointe zu erfassen?
    Er durchwühlte seine Brusttasche nach einem Zahnstocher, dann fiel ihm aber ein, dass er keine mehr hatte, und er nahm sich eine Zigarette.
    Könnte es nicht doch ein Muster geben, so, wie es immer schon die Spiralen des DNS-Moleküls und die Kristalle der Schneeflocken gegeben hatte, egal, ob nun ein Betrachter existierte oder nicht?

    Was schert ein Molekül sich um eine Kamera?, dachte er.
    Gute Fragen. Fragen, die sich immer wieder einstellten. Er legte seine Zigarette weg. Stocherte lustlos in den Fettuccine herum und trank den dunkelroten Wein. Aus irgendeinem Grund hatte er zur Zeit kaum noch Appetit. Ob daran nun das verlorene Darmstück schuld war oder etwas anderes.
    Die Gerechtigkeit war ein anderer Aspekt.
    Einfacher und leichter zu handhaben, davon war er immer überzeugt gewesen, auch wenn er diese Überzeugung niemals auf eine entscheidende Probe hatte stellen müssen. Trotz seiner mehr als dreißig Jahre bei der Truppe.
    Werkzeug der Gerechtigkeit also. So musste er sich doch selber sehen, wenn er das wirklich ernst nehmen wollte. Das klang natürlich ein wenig überspannt, sogar haarscharf pathetisch, aber er brüstete sich schließlich nicht damit. Es war nur ein privater Beweggrund, aber eben auch ein verdammt wichtiger.
    Wenn es galt, die eigene Existenz und Berufsauffassung zu begründen, war manchmal tiefes Graben notwendig, das hatte er gelernt. Tiefer und tiefer und tiefer vielleicht – als würden die Grundmauern, das eigentliche Fundament, Jahr für Jahr erneut überschwemmt, von immer dickeren Schichten von Lehm und Schmutz aus der unteren Welt, in der er täglich zu tun hatte.
    Ja, so ungefähr vielleicht.
    Auf die eigentliche Kardinalfrage wusste er noch immer keine Antwort. Er hatte sie vor einigen Jahren im Zusammenhang mit dem Fall G formuliert, besonders kompliziert war sie nicht: Wäre ich bereit, die Sache in die eigene Hand zu nehmen, wenn Gesetze und Institutionen versagen?
    Wenn er also vor einem Mörder oder einem anderen Gewaltverbrecher stünde und hundertprozentig – hundertprozentig! – sicher wüsste, dass dieser Mensch schuldig sei, wäre es dann moralisch richtiger, ihn aus Mangel an Beweisen laufen zu lassen oder selber für Gerechtigkeit zu sorgen?

    Er zog an seiner Zigarette.
    Es gab natürlich endlose Mengen von Sonderfällen, und die Konsequenzen waren unüberschaubar. Er war die Frage immer wieder theoretisch durchgegangen, und vielleicht sollte er einfach dankbar sein, solange sie sich in der Praxis nicht stellte.
    Obwohl es durchaus fast so weit hätte kommen können. Vor allem vor sieben Jahren in Linden.
    Und eigentlich

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