Das Feenorakel
liebsten hätte sie sich für diese leichtfertigen Worte auf die Zunge gebissen. Ganz bestimmt hatte dieser Kieran keinen normalen Sterblichen zur Unterstützung geschickt und jetzt schuldete sie einem Fremden etwas, von dem sie nicht einmal wusste, wer oder was er war.
Als ahnte er ihre Besorgnis, lachte Erik gutmütig. «Keine Panik, dich live hören zu können, ist mir Dank genug.»
Sie sang fast ihr gesamtes Repertoire durch. Bis auf einen kleinen Ausrutscher behielt sie die Kontrolle über ihre Magie und hatte dennoch ebenso viel Freude am Singen wie zuvor.
Zwischendurch hatte Julen sogar die zweite Stimme und damit Toms Part übernommen. Alva war überrascht, wie gut er sang. Fast wehmütig ließ sie die letzten Noten des Liedes verklingen, das sie und die Band als Zugabe ausgewählt hatten.
Erik stand auf und applaudierte. «Großartig, einfach großartig! Vielen Dank, dass ich dabei sein durfte!»
Dann aber warf er Julen einen besorgten Blick zu und zeigte zum Fenster.
Der Himmel über der Stadt war niemals vollkommen dunkel, aber nun war es das Licht der aufgehenden Sonne, das die Wolken zartrosa färbte.
«Ohne deine Hilfe hätten wir es nicht so schnell geschafft!» Julen schüttelte Eriks Hand. «Ich schätze, du wirst das Konzert heute Abend nicht verpassen wollen? Wenn du möchtest, kannst du gleich hierbleiben.» Ihn schien die Aussicht auf den anbrechenden Tag nicht zu beunruhigen.
«Aber klar, wenn ihr eine Decke oder so was für mich habt ...» Erik musterte die Sitzecke vor den Bücherregalen genauer, und Alva konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er sich nach einem geeigneten Schlafplatz umsah.
Julen schien das Gleiche zu denken. «Es gibt ein Gästezimmer und reichlich frisches Wasser!»
Hat er etwa gerade gehechelt? , fragte sich Alva irritiert und schüttelte dann den Kopf. Mit jedem Schritt, den sie weiter in die magische Welt eintrat, wurde ihr neues Leben verwirrender.
Die beiden Männer sahen sich an und schienen über einen gemeinsamen Witz zu lachen, an dem Alva keinen Anteil haben sollte. Danach begleitete Julen seinen Freund, um ihm das Gästezimmer und alles Weitere zu zeigen.
Glücklich, dass es ihr mit der Unterstützung der beiden gelungen war, einen Weg zu finden, ihre Kräfte zu kontrollieren, nutzte sie seine Abwesenheit und ging in Gedanken noch einmal jeden Punkt der Übung durch.
Es dauerte eine Weile, bis Julen ohne Erik zurückkehrte, er wirkte sehr zufrieden. «Ich habe dir eine Überraschung versprochen. Möchtest du sie jetzt sehen oder lieber später?»
Wahrscheinlich war es das Glitzern in seinen Augen. Es verriet den kleinen, frechen Jungen in ihm, der er bestimmt einmal gewesen war. «Was ist es?» Alva schob ihre Sehnsucht nach dem Bett beiseite, ihr Herz schlug erwartungsvoll.
«Da geht es hinauf.» Über die Leiter, die mitten im Raum bis unter die Decke führte, hatte sie sich ohnehin schon gewundert. Schnell stieg er die Sprossen hinauf und öffnete eine Bodenklappe, die ihr von unten gar nicht aufgefallen war. Blasses Morgenlicht fiel durch das Rechteck, während er weiter hinaufkletterte. «Komm, oder hast du Höhenangst?»
«Natürlich nicht!» Ein bisschen wackelig kam ihr der Aufstieg dann aber doch vor und sie verzichtete darauf, nach unten zu sehen. Der ehemalige Fabrikraum war bestimmt fünf oder sechs Meter hoch und die Leiter sah aus, als hätte sie schon beim Bau des Gebäudes vor mindestens hundert Jahren gute Dienste geleistet.
Julen reichte ihr von oben die Hand und half Alva durch die schmale Öffnung zu klettern. Danach trat er beiseite, um den Blick auf einen wildromantischen Dachgarten freizugeben. Der Rasen unter ihren bloßen Füßen fühlte sich wunderbar an, Gräser, zarte Blüten und englische Rosen verströmten einen Duft, der sie an den Garten ihrer Mutter erinnerte. Erstaunlich hohe Bäume wuchsen aus großen Kübeln, um an heißen Sommertagen Schatten zu spenden. Mittendrin standen Tisch und Stühle, die geradezu dazu einluden, sich hier niederzulassen und den Blick über die erwachende Stadt zu genießen.
«Das ist fantastisch! Habe ich schon gesagt, dass dies meine Traumwohnung sein könnte?» Dummerweise unterbrach ein Gähnen Alvas Begeisterung. Schnell hielt sie die Hand vor den Mund. «Tut mir leid, ich bin schrecklich müde!»
Lachend küsste Julen ihre Nasenspitze. «Ich freue mich, dass es dir gefällt. Wir können später noch einmal heraufkommen, aber jetzt solltest du tatsächlich erst einmal
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