Das Feenorakel
ihn endlich gefunden hatte, ließ sich die Eingangstür natürlich nicht öffnen.
Erst nachdem sie die riesige Produktionshalle mit den hohen Fenstern in der Dunkelheit fast umrundet hatte, sah sie einen zweiten, versteckt liegenden Eingang, über dem ein schwaches Licht leuchtete. Gerade wollte sie die Hand auf die Klinke legen, da sprang die Tür auf und eine Frau kam herausgestürzt.
Alva murmelte eine Entschuldigung und machte schnell einen Schritt beiseite, um nicht über den Haufen gerannt zu werden.
Die Frau schien sie nicht einmal bemerkt zu haben, sie lief über das holprige Kopfsteinpflaster, bis die Dunkelheit sie verschluckt hatte. Sie hatte eigentümlich blass ausgesehen, und Alva fragte sich, was ihr einen solchen Schrecken eingejagt haben mochte. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen trotz der merkwürdigen Bemerkung, die Tom gemacht hatte, hierher zu kommen. Doch ehe sie es sich anders überlegen konnte, erschien eine zweite Frau in der Tür und streckte ihr die Hand entgegen.
«Du musst Alva sein. Hallo, wir haben schon auf dich gewartet.»
Ihr Gesicht war zwar nicht zu sehen, da sie nur von hinten beleuchtet war, aber Alva gefiel die sympathische Stimme und sie entspannte sich soweit, dass sie sich sogar zu fragen traute: «Was war denn mit der los?»
Eine kühle Hand zog sie ins Helle hinein und schloss die Tür. «Keine Ahnung. Wahrscheinlich hatte sie Zoff mit dem Chef. Aber keine Sorge, normalerweise ist er sehr nett.» Ihr Lächeln ließ die Worte glaubwürdig erscheinen. Also folgte Alva ihr unbesorgt durch lange, weiß gestrichene Gänge, bis ihre Begleiterin stehen blieb und an eine Tür klopfte, die merkwürdigerweise aussah, als sei sie aus Eisen.
Obwohl von innen keine Antwort zu hören war, fühlte sie eine Hand in ihrem Rücken und stand gleich darauf mitten in einem eleganten Büro. Ihr blieb gar keine Zeit, wieder nervös zu werden. Und das war wahrscheinlich auch ganz gut so.
Der Mann stand mit einer fließenden Bewegung auf und schenkte ihr ein freundliches Lächeln. «Alva, nicht wahr? Schön, dass du gleich kommen konntest.» Er wies auf eine unpersönlich wirkende Sitzgruppe und bat sie, Platz zu nehmen.
Während sie sich auf die vordere Kante eines Sessels setzte, ging er an ihr vorbei und nahm, schneller als sie blinzeln konnte, auf einer schwarzen Ledercouch Platz. Lässig legte er einen Arm auf die Rückenlehne und schlug das linke Bein über.
Ihre Nervosität hatte nun weniger mit der Gesprächssituation zu tun als mit seiner bedrohlichen Ausstrahlung. Er verhielt sich freundlich, keine Frage, aber ihr kam es so vor, als schlich in seinem Inneren ein wildes Tier auf und ab, das nur darauf wartete, freigelassen zu werden, um sie zu verschlingen.
Er starrte sie an, als bemühte er sich, etwas zu lesen, das in winziger Schrift auf ihre Stirn geschrieben sein musste. Doch als sie zuletzt in den Spiegel geschaut hatte, war da nichts gewesen, und einen Schmutzfleck hätte er doch gewiss nicht so genau inspiziert.
Ungewöhnlich.
«Wie bitte?», fragte sie irritiert, weil sich seine Lippen nicht bewegt hatten.
Zu ihrer Erleichterung unterbrach das seine Inspektion ihres Haaransatzes und er lehnte sich wieder zurück. «Wie bist du auf uns gekommen?»
Sie erzählte ihm von ihrem Besuch im Jobcenter und war froh, dass er sich damit zufriedengab. Die nächste Frage verwunderte sie noch mehr.
Er lehnte sich vor und sah sie genau an. «Es hat dich also niemand geschickt?»
Mit gutem Gewissen konnte sie ihm antworten, dass sie aus freiem Willen hierher gekommen war. Allerdings fragte sie sich, ob das nicht ein Fehler gewesen sein könnte. Dass ihr die einzigen Menschen, denen sie von ihren Plänen erzählt hatte, beide abgeraten hatten sich zu bewerben, behielt sie lieber für sich.
«Und du könntest sofort beginnen?»
Alva schrak auf. «Jetzt?» Sie zögerte. «Ja. Natürlich. Kein Problem!»
Sein Blick verweilte einen Augenblick lang auf ihren Lippen, und sie musste sich sehr beherrschen, um dem Impuls zu widerstehen, sich mit der Hand über den Mund zu wischen.
Ein wissendes Lächeln glitt kurz über sein Gesicht. Danach befragte er sie zu ihrer Berufserfahrung, schien aber nicht sonderlich beunruhigt zu sein, dass sie noch nie als Garderobenmädchen gearbeitet hatte.
Besonders kompliziert , dachte Alva, wird so ein Job ja auch nicht sein. Erschrocken fuhr sie zusammen, als er plötzlich hinter ihr stand. Schnüffelt der an mir? Sie sprang von ihrem
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