Das Feenorakel
an.»
Die Garderobiere war wie aus dem Nichts erschienen und ihr Erröten hatte sicher mehr mit ihrer Überraschung als mit mädchenhafter Scham zu tun.
Die Begrüßung der beiden Männer fiel dennoch kühl aus, und Julen tat der Sterbliche beinahe leid. Aber es hätte ihn wohl kaum beruhigt, wenn er gewusst hätte, dass der vermeintliche Nebenbuhler, der sogar einige Jahre älter als Florentine wirkte, in Wahrheit ihr Sohn war.
Julen verabschiedete sich, den Arm hatte er dabei leicht um Lilianas Schulter gelegt.
Kaum waren sie allein, entzog sie sich seiner Berührung. «Komm bloß nicht auf dumme Gedanken!»
Julen grinste. «Ich bitte dich, ich werde der Signora doch nicht die Bettgefährtin ausspannen.»
Liliana lief knallrot an. «Woher weißt du ... Ach, verdammt!»
«Mein untrüglicher Instinkt.» Julen tippte sich an die Nase. «Aber keine Sorge, das bleibt unter uns, was sollte der arme Jonas sonst denken.»
Als Antwort gab sie nur ein Schnauben von sich und drückte ihm eine Visitenkarte in die Hand. «Gegen drei Uhr morgens ist sie meistens zurück.»
«Ein bisschen spät für Cinderella, meinst du nicht auch?»
«Das geht dich nichts an!» Sie hatte sich schon fast abgewandt, als sie in der Bewegung verharrte. «Wir müssen morgen in die Niederlande reisen. Also halte sie nicht zu lange auf!» Damit drehte sie sich endgültig um und war im nächsten Augenblick grußlos in einer der Garderoben verschwunden.
Erst jetzt begriff Julen, dass auch sie eifersüchtig auf ihn war. Er verdrehte die Augen und eilte am Pförtner vorbei, der ihm gleichgültig nachsah.
Die Enttäuschung, die ihm entgegenschlug, als die zahlreichen Fans am Bühnenausgang erkannten, dass er keiner der sehnsüchtig erwarteten Künstler war, hob seine Laune und Julen ging, die Hände in den Hosentaschen vergraben, pfeifend davon, um eine alte Freundin zu besuchen, die nicht weit von hier entfernt ein unscheinbares Pub betrieb, in dem er die Zeit bis zur Audienz bei seiner Mutter zu überbrücken gedachte.
Die Freundin ging in den verborgenen Räumen unterhalb des Pubs nicht nur ihren Geschäften als Statthalterin nach, für besondere Gäste hielt sie stets einen guten Tropfen und, wenn es sein musste, sogar ein Bett bereit. Letzteres hatte er früher gern genutzt, heute würde es hoffentlich nicht erforderlich werden, denn schon jetzt sehnte er sich nach Alva. Einen ordentlichen Schluck Blut konnte er nach all den menschlichen Emotionen, denen er ausgesetzt gewesen war, allerdings gut gebrauchen.
«Ist er hier?» Florentines Stimme riss ihn einige Stunden später aus seinen Gedanken.
Julen schlug ein Bein über das andere, legte die Fingerspitzen aneinander und lehnte sich in dem bequemen Sessel zurück. Innerlich war er weniger ruhig. Seit zwei Uhr wartete er bereits, und da ihm unterdessen niemand Gesellschaft geleistet hatte, war ihm genügend Zeit geblieben, mit seinem Schicksal zu hadern. Es gab eindeutig zu viele Frauen in seinem Leben.
Wie vermutet hatte die Statthalterin ihn zu überreden versucht, den Tag bei ihr zu verbringen. Genau genommen in ihrem Bett.
Einem schnellen Abenteuer wäre er nicht einmal abgeneigt gewesen, doch ausgerechnet da hatte er an Alva denken müssen und die Lust auf andere Frauen war ihm erstaunlicherweise vergangen. Davon abgesehen barg dieses Vampirrefugium auch Erinnerungen, davon einige ausgesprochen unerfreulich.
In den Räumen der Statthalterin Londons hatte er vor nicht allzu langer Zeit endgültig erkennen müssen, dass die Fee, von der er eine Zeit lang geglaubt hatte, sie wäre für ihn bestimmt, längst einem anderen gehörte. Gleich darauf war er Saras unschuldigem Charme erlegen, was ihm am Ende nur Probleme bereitet hatte.
Um nicht mehr daran denken zu müssen, hatte er die Begegnung mit seiner Mutter Revue passieren lassen. Heute hatte er eine ganz andere Seite an ihr kennengelernt, was ihn nun daran zweifeln ließ, ob seine frühere feindselige Haltung ihr gegenüber immer gerecht gewesen war.
Florentine, er hatte sich an diesen Namen erstaunlich schnell gewöhnt, betrat endlich den Raum und Julen beeilte sich, seine Gedanken vor ihr zu verbergen, während er sich erhob. Eine Höflichkeit, die er ihr in den letzten Jahrzehnten ganz bestimmt nie erwiesen hätte. «Du siehst gut aus.» Erstaunt stellte Julen fest, dass ihn dies freute. Von der Melancholie, die er vorhin zu spüren geglaubt hatte, war im Augenblick nichts mehr zu bemerken.
Sie setzte sich auf die vordere
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