Das ferne Leuchten - das Marsprojekt ; 1
der Erde. Also muss ich dort hin. Aber ich bin trotzdem hier auf dem Mars zu Hause, und ich will nicht, dass man die Marssiedlung aufgibt. Ich will immer wieder hierher zurückkommen können, ehrlich.«
»Ja, klar«, sagte Ariana. »Das geht uns doch allen so. Ich denke, das geht selbst den Erdlingen so. Auch wenn man fortgeht von da, wo man geboren ist, will man, dass es den Ort weiterhin gibt. Selbst wenn man nie wieder zurückgeht, will man wissen, dass er noch existiert.« Sie seufzte abgrundtief. »Neulich bin ich Dad in den Ohren gelegen, dass ich nicht auf dem Mars leben möchte. Man muss echt aufpassen, was man sich wünscht, glaube ich.«
12
Zwölf Milliarden Menschen
Am Montagabend trafen sich alle Siedler auf der Plaza , um die Situation zu besprechen. Die Tische und Stühle vom Fest standen noch, man hatte sie nur ein wenig umgestellt und ein Podium errichtet. Dort saß die Gruppe, die sonst gegenüber dem Statthalter als Siedlungssprecher auftrat und eine Art inoffizielles Führungsgremium darstellte. Dr. DeJones gehörte dazu, Irene Dumelle, aber auch Leute wie Dr. Vernon Spencer, der Leiter der wissenschaftlichen Arbeiten der Marssiedlung, ein großer, silberhaariger Mann mit der Statur eines Footballspielers, und Jewgenij Turgenev, ein hagerer Mathematiker mit ledrigem Gesicht und wässrigen Augen, der es immer mit seiner Kindheit in Sibirien hatte und wie gut sie ihn darauf vorbereitet habe, auf dem Mars zurechtzukommen.
»Ein paar von uns haben heute den ganzen Tag beraten und Rechtsanwälte auf der Erde befragt«, erklärte Dr. DeJones nach einigen einleitenden Worten. »Wir haben auch mit der Abgeordneten gesprochen, die für uns zuständig ist, was, wie ich gleich vorausschicken kann, wenig hilfreich war, da sie sich zwar hinter die Entscheidung der Kommission stellt, aber ausweichend reagiert, wenn man genauer wissen will, aus welchen Gründen.«
Unmut war aus den Reihen der Siedler zu hören, ein paar riefen: »Buuh!« Eine der Absurditäten der Föderation war, dass nach der Wahlordnung für das Weltparlament der Mars zum Wahlkreis Mikronesien gehörte – vermutlich, weil sich jemand gedacht hatte, die Marssiedlung sei ja auch nur so ein kleines Inselchen im weiten Raum. Und die aus diesem Wahlkreis kommende australisch-japanische Abgeordnete Irma Yamashita interessierte sich nicht die Bohne für irgendetwas, das mit dem Weltraum zu tun hatte.
»Bevor wir«, fuhr Dr. DeJones fort, »zum eigentlichen Thema kommen, möchten wir ausdrücklich betonen, dass wir die Art und Weise bedenklich finden, in der durch die Entscheidung der Kommission und die sofortige Entsendung von Großraumschiffen vollendete Tatsachen geschaffen wurden. Und geradezu beleidigend ist die Art und Weise, wie Mister Pigratos Mitarbeiter gestern alle Geräte und Werkzeuge in der Siedlung beschlagnahmt haben, die sich als Waffen hätten gebrauchen lassen. Man muss sich fragen, wofür Mister Pigrato uns eigentlich hält.«
Das gab Beifall. Allerdings war Mister Pigrato der Versammlung wohlweislich ferngeblieben.
»Wir werden ihm einen Mitschnitt dieser Veranstaltung zukommen lassen«, versprach Dr. Spencer.
Zunächst ging es um die Begründung der Entscheidung, wie sie inzwischen offiziell in den Nachrichtennetzen verfügbar war.
»In der Begründung wird der Eindruck erweckt, die Erde könne durch Auflösen der Marssiedlung fünf Milliarden Internationale Verrechnungseinheiten sparen«, merkte Jewgenij Turgenev an und sah blinzelnd in die Runde. »Was in der Tat eine Menge Geld wäre. Aber in meinen jungen Jahren in Sibirien war ich unter anderem als Betriebswirtschaftler tätig, und von daher weiß ich, dass man die Kosten einer Anlage auf verschiedene Arten errechnen kann, je nachdem, wie es einem in den Kram passt. Und man kann nicht einmal sagen, dass die eine richtiger als die andere wäre. In diesem Fall ist es so, dass die Marssiedlung laut Buchhaltung fünf Milliarden Internationale Verrechnungseinheiten pro Jahr kostet, das ist richtig. Aber über vier Milliarden davon sind Abschreibungen für getätigte Investitionen und Transportkosten. Die spart man natürlich nicht ein, denn weder nehmen wir all die Geräte wieder mit zur Erde, noch erhält die Regierung die Kosten für den Transport zum Mars zurückerstattet. Man überlege nur, was allein die beiden Fusionsreaktoren gekostet haben, die hier bleiben. Sie sind ausgelegt worden, eine Million Menschen zu versorgen, sie sind praktisch noch neu, und sie
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