Das ferne Leuchten - das Marsprojekt ; 1
sich zurück, ein Schmunzeln in den Augenwinkeln. »Jede«, sagte er dann. »Und sei es nur, weil man sich mit dem ersten Marsgeborenen schmücken will. Ihr Kinder seid euch dessen nicht bewusst, aber auf der Erde seid ihr fast so etwas wie Berühmtheiten.«
»Ehrlich?«
»Ich weiß es von meinen Enkelkindern. Wenn die einen Wunsch freihätten, dann wären sie gern an eurer Stelle. Millionen von Leuten schauen sich Sendungen über das Leben in der Marssiedlung an. Und es gibt jetzt eine Menge Protest dagegen, dass sie aufgegeben wird.«
Carl blinzelte verwundert. »Obwohl man Milliarden dadurch sparen wird?«
Dr. Spencer gab ein schnaubendes Geräusch von sich. »Das ist Augenwischerei. Man will einfach keine Marsbesiedlung, das ist der wahre Grund. In der jetzigen Regierung sitzen nicht wenige Sympathisanten der so genannten Heimwärtsbewegung , einer politischen Strömung, die auf der Erde im Augenblick zunehmend populär wird. Diese Leute glauben, dass die Menschen auf die Erde gehören und den Weltraum in Ruhe lassen sollten. Sie glauben, dass wir im Wesentlichen alles erforscht und über das Universum herausgefunden haben, was sich erforschen und herausfinden lässt, und dass sich weitere Anstrengungen in diese Richtung nicht lohnen. Manche von ihnen würden am liebsten sogar das Teleskop auf der Mondrückseite wieder abbauen – obwohl ich nicht hoffen will, dass es jemals so weit kommt.«
Carl sah ihn an, unfähig, etwas zu sagen. Die Besprechung, die Elinn und er belauscht hatten, fiel ihm wieder ein. Bjornstadt hatte genauso etwas gesagt in dem Videomail an Pigrato. Das Argument, die Marssiedlung sei zu kostspielig, war demnach tatsächlich nur vorgeschoben worden.
»Nun ja«, meinte Dr. Spencer, »lass dir das einfach alles einmal durch den Kopf gehen. Jedenfalls brauchst du dir keine Sorgen zu machen. Wenn du den Abschluss schaffst, woran ich nicht zweifle, steht dir die ganze Welt offen.«
»Und der Weltraum?«
»Das muss man sehen«, schränkte der Wissenschaftler ein. »Das hängt eben stark von der politischen Entwicklung ab. Ach, ehe ich es vergesse…« Er zog eine Schublade auf, holte einen flachen Gegenstand heraus, der in graues Tuch eingehüllt war, legte ihn vor Carl auf den Tisch und schlug das Tuch zurück. »Ich nehme an, du weißt, was das ist?«
Carl nickte beklommen. »Ja.« Es war eines von Elinns Artefakten . Eines der kleineren, eine silbern schimmernde Scheibe mit einer Vielzahl kleiner schwarzer Flecken, die wie fremdartige Schriftzeichen aussahen.
»Deine Schwester war damit bei Dr. Irving. Ich weiß nicht, woher sie wusste, dass Dr. Irving Sprachwissenschaftlerin ist, jedenfalls war sie der Meinung, diese Flecken seien die Schrift der Marsianer und man müsse sie entziffern.« Dr. Spencer schüttelte den Kopf. »Du musst ihr das ausreden, Carl. Sie ist zu alt für diese Märchen. Ich meine, es ist erstaunlich, wie sie diese Dinge immer findet« – er nahm das Artefakt in die Hand und bewegte es, sodass es perlmuttfarben im Licht der Deckenlampe glänzte –, »aber das ändert nichts daran, dass es nur unreines Silizium ist. Vermutlich vulkanischen Ursprungs, wie alles in dieser Gegend hier, und hunderte von Millionen Jahre alt.«
»Das habe ich ihr schon ein Dutzend Mal gesagt«, meinte Carl. »Mittlerweile macht sie die Ohren zu, wenn ich davon anfange. Vielleicht wäre es besser, jemand anders sagt ihr das auch noch einmal.«
Der Wissenschaftler überlegte einen Moment und nickte dann. »Ja, da hast du Recht.« Er wickelte das Artefakt wieder ein. »Mrs Irving soll mit Elinn sprechen.«
»Weißt du, dass wir auf der Erde so was wie Berühmtheiten sind?«, fragte Ariana.
Elinn riss die Augen auf. »Ehrlich?«
Die beiden Mädchen saßen in Arianas Zimmer. Wer Ariana kannte, hätte beim Anblick des Zimmers nicht geglaubt, dass es sich um ihres handelte, denn es war geradezu romantisch eingerichtet, mit vielen kleinen, selbst gerahmten Fotos an den Wänden, farbigen Stoffen, die kunstvoll über die Leuchtelemente drapiert waren, vielen Kissen und Decken und allerlei Krimskrams in den Regalen. Es gab auch kaum jemanden, der ihr Zimmer jemals zu Gesicht bekommen hatte, denn sie betrachtete es als ihr persönliches Reich, in dem sie keine Eindringlinge duldete.
Elinn war die einzige Ausnahme. Es gibt nun einmal Dinge, die nur Mädchen etwas angehen, und da sie die beiden einzigen Mädchen auf dem Mars waren, hatten sie sich seit jeher zusammentun müssen, wenn es um
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