Das Fest der Köpfe
doch seine Augen waren nicht starr. Sie lebten, alles an ihm lebte.
Er trug einen dunklen, sehr langen Mantel, der ihm bis über die Waden reichte. Er hatte ihin nicht zugeknöpft, dafür aber den Kragen hochgestellt. Zwischen ihm und dem Hals verschwanden die grauen Strähnen des lang wachsenden Haars.
Sein Gesicht zeigte braune Alters flecken. Die Haut war schon fast als welk zu bezeichnen. Der Mann hatte sehr buschige, weiße Augenbrauen. »Bitte nehmen Sie die Lampe weg. Sie blendet mich zu stark.«
»Natürlich — sorry.«
»Danke.« Der Mann senkte den Kopf, hob ihn dann wieder und holte tief Luft. »Ja, Sie haben es also auch gesehen. Es ist die Nacht des Schreckens hereingebrochen…«
»Darf ich fragen, wer Sie sind, Mister?«
»Ich heiße Neill und bin ein alter Mann, auf den niemand mehr hören will. Leider.« Er breitete die Arme aus. »Es ist alles schlecht geworden in dieser Zeit. Was früher als eine Warnung aufgefaßt wurde, sehen die Leute heute als Spaß an. Ich sagte Ihnen, daß sie einen Fehler begehen, sogar einen sehr großen.«
»Sie kennen sich gut aus, Mr. Neill.«
»Lassen Sie das Mister weg.«
»Gut, ich bin Suko.«
Er winkte ab. »Was sind schon Namen? Man kann sich mit ihnen schmücken, man kann sie noch so toll finden, es kommt einzig und allein auf den Menschen an. Er ist oft die große Enttäuschung.«
»Aus Ihren Worten spricht Verbitterung.«
»Ja, Suko, ich bin verbittert. Ich bin sogar sehr verbittert, kann ich Ihnen sagen.«
»Aber Sie kennen sich hier oben aus und wissen auch um die alten Legenden.«
»Ich bin der Küster, Suko. Ich habe oft auf dem Friedhof hier zu tun, auch in der Kapelle.«
»Wo der leere Sarg jetzt steht?«
»So ist es.«
»Ein lebender Toter?« fragte Suko.
Neill nickte. »Leider, mein Freund, leider. Es ist der alte Orson Kyle gewesen, der dort aufgebahrt wurde. Sein Enkel fand den Großvater tot in einem Gartenhaus…«
»Und dieser hier?« Suko deutete auf das Grab.
»Hat einmal Nolan Quint geheißen. Eines Tages lag er tot neben seiner Frau Mary im Bett. Für sie ist es furchtbar gewesen. Und es wird noch furchtbarer für sie werden, wenn sie Besuch von einem Zombie bekommt, der sich bei ihr wärmen will.« Der Küster hatte geflüstert, dann lachte er plötzlich.
»Die Quints wohnen in Kimberly?«
»Alle wohnen hier.«
»Dann müssen wir etwas tun.«
Neill schaute Suko an und hob dabei die buschigen Brauen. Er wischte über die Lippen, bevor er lachte. »Was willst du denn tun, verdammt? Du kannst nichts machen. Sie sind stärker, sie sind das Grauen. Sie sind die Strafe des Teufels für die Menschheit, sie sind keine Rache. Die Hölle hat sich geöffnet. Wenn der Mensch versagt, wenn er seinen Glauben verliert, wenn er die Götzen anbetet, dann werden sich die Toten rächen. Das sage ich dir.«
Suko gab dem Mann im Prinzip recht. Aber er wollte nicht aufgeben.
»Hör zu, Neill, wir beide wissen Bescheid. Wir gehören zu den Informierten. Wir müssen in den Ort und die Menschen warnen. Wir müssen ihnen erklären, daß der Fluch zur grausamen Wahrheit geworden ist. Kannst du das nicht begreifen? Die Bewohner von Kimberly sind doch abergläubisch. Sie werden uns zuhören.«
»Sie werden nicht!« Neill sprach mit dumpfer Stimme.
»Weshalb nicht?«
»Weil es für sie ein riesiger Spaß ist. Keiner glaubt so recht daran. Besonders nicht die Jungen. Sie haben sich auf diese Nacht gefreut. Sogar Menschen, die Kimberly verlassen haben, sind zurückgekehrt, um das Fest der Köpfe zu feiern. Sie haben getrunken, sie haben sich richtig vorbereitet. Du wirst als Mensch gegen eine Mauer aus Widerstand stoßen, aber die Zombies werden mit den betrunkenen Gestalten leichtes Spiel haben. Das mußt du mir glauben.«
Suko wollte nicht die Zeit damit verplempern, daß er über Theorien diskutierte. Er stellte eine konkrete Frage. »Sind es die einzigen Leichen, die in der Stadt sein könnten?«
Der Küster nickte. »Wären noch andere da, müßte ich mich sehr irren. Ich habe alles abgesucht. Der Sargdeckel ist von Orson Kyle selbst hochgewuchtet worden. Er lag nur sehr locker auf dem Unterteil. Aber zwei reichen aus, Suko. Stell dir vor, was die anrichten können. Die töten die Menschen, die sind nicht zu fassen…«
»Es sei denn, man schlägt ihnen den Kopf ab.«
Der Küster bekam große Augen. »Verdammt, du kennst dich gut aus.«
»Ich habe viel darüber gesehen und gelesen«, wich Suko aus. »Aber eine andere Frage habe ich.
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