Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
Vom Netzwerk:
einen. Wenn sie sich zwischen die Brocken duckten, würden die Kojoten sie vielleicht nicht sehen. Was für eine blöde Idee , dachte Hercel. Aber was konnten sie sonst tun?
    Während sie sich mit dem Rücken an die Felsen drückten, waren die Kojoten sehr nah, nur konnte Hercel sie immer noch nicht sehen. Als er dann einen Schatten sah, warf er einen Stein, der harmlos zu Boden kullerte. Beim nächsten Mal warf er kräftiger, und der Stein prallte gegen einen Baum. Nein, er musste sich konzentrieren. Er musste seine Angst zum Schweigen bringen. Das Kläffen wurde lauter, und es klang wie Gelächter.
    Hercel blieb auf dem Boden sitzen, fand noch einen Stein und dann noch zwei. Er machte ein bisschen Platz auf der Erde neben sich und legte sie zusammen. Er hörte Lucy wimmern, aber er bemühte sich, es zu ignorieren. Tig machte ein Geräusch und warf einen Stein, wie Mädchen Steine werfen – nicht sehr gut. Mit dem Schraubenzieher malte Hercel einen Kreis um seine drei Steine. Dann zog er die Spitze des Schraubenziehers um den Kreis herum, wieder und wieder, und immer schneller, als verrührte er Eier in einer Schüssel, wenn er seiner Mutter beim Kuchenbacken half. Bei dem Gedanken an seine Mutter verließ ihn die Konzentration, und er musste sich zusammenreißen.
    »Hercel, ich sehe sie!«, rief Tig. »Tu etwas!«
    Hercel fuhr mit der Spitze des Schraubenziehers im Kreis herum und konzentrierte sich. Wieder und wieder, schneller, immer weiter. Der Schraubenzieher fräste sich in die Erde. Alles Schlechte in seinem Kopf – die Angst, die Trauer, die schlimmen Bilder seiner Phantasie –, eins nach dem andern schob er beiseite. Er hörte ein Geräusch, und es war kein Kojote, kein Stein, der zu Boden fiel. Es war nicht der Wind. Es war ein Rauschen. Die Spitze des Schraubenziehers folgte dem Kreis. Hercel starrte sie an, und je schneller er sie kreisen ließ, desto lauter wurde das Rauschen. Ein Klicken und Scharren kam dazu. Er blickte nicht auf.
    »Hercel, das Laub weht um uns herum! Und Stöcke!«
    Das hätte vom Wind kommen können, aber es ging kein Wind – nur der Wind, den das Laub machte, als er immer schneller im Kreis um den Felsbrocken wirbelte, an den die Kinder sich drückten. Ein Zweig wurde hochgerissen und mischte sich unter das Laub, dann noch einer und ein dritter, und bald kreisten Dutzende von Zweigen auf und ab zwischen den Blättern, die um die Steinblöcke wirbelten. Ein kleiner Stein stieg auf, noch einer, und die kreisende Masse von Laub und Erde, Zweigen und Steinen wurde dichter und schwirrte und klapperte, und die ganze Zeit starrte Hercel auf den Boden und folgte mit der Spitze des Schraubenziehers dem Kreis, der sich in die Erde gefräst hatte, und wenn seine Hand ab und zu um einen Zoll von der Kreisbahn abwich, tat sich in der strudelnden Masse einen Moment lang eine Beule auf, und das Rauschen, Knistern und Knattern wurde lauter, das Geschnatter von Steinchen und kleinen Bröckchen, das Hercel und die Mädchen umgab wie eine senkrechte Röhre, wie eine Windhose, so dicht, dass jemand, der außen davor gestanden hätte, nur eine rotierende Wand gesehen hätte.
    Doch dann flutete Dunkelheit in Hercels Kopf wie Wasser in eine Schüssel, und er sackte zusammen. All die Millionen kleinen Stückchen und Bröckchen flogen mit einem letzten Krachen und Prasseln auswärts zwischen die Bäume, und der Lärm hörte auf.
    Als er zu sich kam, schüttelte Tig ihn und rief seinen Namen. »Hercel, Hercel!« Er sprang auf und spähte in die Dunkelheit. Die Kojoten waren weg.
    »Alles ist durch die Luft geflogen«, sagte Tig. »Das hat ihnen Angst gemacht. Was war das? Warst du das, Hercel? Was ist passiert?«
    Hercel lehnte sich an den Felsblock und legte den Arm um Lucys Schultern. Sie hatte aufgehört zu wimmern. »Ich weiß nicht, was das war«, sagte er. »Ich bin ohnmächtig geworden. Wir haben einfach Glück gehabt.« Aber Hercel wusste ganz genau, was es gewesen war.
    Sie schmiegten sich aneinander, um sich warm zu halten. Es hatte keinen Sinn, weiterzuwandern. Inzwischen war es stockdunkel geworden, und sie würden früher oder später ins Wasser fallen. Sie mussten bis zum Morgen bleiben, wo sie waren, und darauf hoffen, dass die Kojoten nicht zurückkamen.
    Hercel war halb eingedöst, als er Gebell hörte. Angst durchströmte ihn, doch dann begriff er, dass es ein Hund war, kein Kojote. Ein Hund von der Staffel, der ihre Spur verfolgte. Und er kam näher.
    Seymour Hodges und Jimmy Mooney

Weitere Kostenlose Bücher