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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Dobyns
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Hanchard, die zehn Meilen weit entfernt in einem Dollar Store in Hope Valley arbeitete. Es war elf, als Vicki dort ankam, und es dauerte noch einmal eine halbe Stunde, bis Betty Mittagspause machen konnte. Betty war übergewichtig, doch sie hatte schöne braune Augen und dichtes, schulterlanges, kastanienbraunes Haar. Sie war achtzehn, und Vicki kannte sie seit ihrem sechsten Lebensjahr.
    Vicki sah, dass Betty mit gemischten Gefühlen mit ihr sprach: Einerseits beging sie Verrat an Nina, und andererseits brauchte sie jemanden zum Reden. Denn tatsächlich war sie krank vor Sorge. Sie hatte mindestens ein Dutzend Mal versucht, Nina auf dem Handy anzurufen, aber Nina hatte sich nicht gemeldet.
    Vicki und Betty gingen hinter den Laden, damit Betty rauchen konnte. Betty fragte, wie es Nina gehe, und Vicki sagte: »Ganz schrecklich. Sie bleibt in ihrem Zimmer und weint. Ich habe wirklich Angst.«
    Und so beschloss Betty, ihr die SMS zu zeigen, die sie am Abend zuvor bekommen hatte. Sie war so schlimm, dass sie nicht hatte einschlafen können, und da hatte sie angefangen, Nina anzurufen. Betty scrollte durch ihre Nachrichten, bis sie die richtige gefunden hatte, und zeigte sie dann Ninas Mutter. »Bin vergewaltigt worden. Niemandem sagen.«
    Vickis schlimmste Befürchtungen waren plötzlich Wirklichkeit. Sie fragte Betty aus, ohne noch mehr zu erfahren. Betty sagte nur, Nina sei im letzten Monat oft beschäftigt gewesen und habe nicht weggehen wollen. »Es hat einfach keinen Spaß mehr gemacht mit ihr«, sagte Betty. »Ich wollte vorbeikommen, aber das wollte sie nicht.«
    Vicki wusste, dass ihre Tochter oft weg gewesen und erst spät nach Hause gekommen war, aber das sagte sie nicht. Sie bedankte sich bei Betty und fuhr zurück nach Brewster.
    Sie wollte nach Hause fahren und Nina mit dem, was sie erfahren hatte, zur Rede stellen. Doch je näher sie kam, desto öfter dachte sie, sie sollte zur Polizei gehen. Sie war davon überzeugt, dass der Vergewaltiger zu einem von Ninas neuen Freunden gehörte, und sie wollte nicht nach Hause kommen und sich anhören, wie Nina diese Leute verteidigte und ihr ausredete, etwas zu unternehmen. Als sie in Brewster ankam, fuhr sie zur Polizei.
    Als Erstes sprach Vicki mit dem Officer am Empfang. Der schickte sie zu einem Streifenpolizisten, und der schickte sie zu einem Detective namens Sarah Muller, einer Polizistin, die auf Familienprobleme spezialisiert war. Vicki trug ihr vor, was passiert war, und erwähnte dabei, dass Nina spätnachts mit Schlamm an den Schuhen nach Hause gekommen war. Muller war an diesem Morgen in der Besprechung gewesen. Bei dem Wort »Schlamm« wurde sie aufmerksam, und es brachte sie dazu, über Ninas »neue Freunde« nachzudenken. Einen Augenblick später rief sie Woody an.
    So kam es, dass Vicki dreißig Minuten, nachdem sie das Polizeirevier betreten hatte, in Woody Potters geliehenem Büro saß. Es war kurz vor eins.
    Vicki war Mitte vierzig. Sie war nie schön gewesen, allerdings war sie relativ sportlich, trieb Yoga im You-You und war gut in Form. Sie hatte kein nennenswertes Kinn, und ihre Lippen sahen aus wie zwei zusammengepresste Münzen, aber ihre Augen waren hübsch – hellbraun, wenn auch vielleicht ein bisschen rot vom Weinen. Sie hatte gehofft, sie könnte mit jemand Wichtigem sprechen, mit dem Polizeichef zum Beispiel, und sie war enttäuscht von dem, was sie bekommen hatte. Woody trug Jeans und ein blaukariertes, von Hundehaaren übersätes Hemd, und er war unrasiert. Sein kurzes braunes Haar sah aus, als hätte etwas daran genagt. Sarah Muller hatte ihr gesagt, Woody sei von der State Police, und deshalb, dachte Vicki, hatte er wahrscheinlich öfter mit Geschwindigkeitsübertretungen als mit Vergewaltigungen zu tun.
    Ihren Zweifeln zum Trotz erzählte sie ihm von Ninas SMS an Betty. »Bin vergewaltigt worden. Niemandem sagen.« Dann berichtete sie, Nina sei immer spät nach Hause gekommen, sie habe neue Freunde, sie sei auch am Mittwoch spät nach Hause gekommen und habe Schlamm an den Schuhen gehabt. Sie habe nicht sagen wollen, was passiert sei, aber sie habe Angst gehabt. Sie erzählte, wie sie vor Ninas Tür gestanden und sie weinen gehört hatte.
    Woody stand auf. »Fahren wir zu ihr.« Er informierte Sarah Muller und wies sie an, sich dort mit ihm zu treffen.
    Sie ließen Vickis Auto auf der Straße zurück und fuhren mit Woodys Truck. Ajax hatte auf dem schmalen Rücksitz geschlafen, und Vicki sah sofort, woher die Hundehaare kamen.

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