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Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
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die Glut, die unter einer grauen Asche- und Schlackeschicht verborgen war. Einige frische Scheite ließen das Feuer auflodern.
    Es war noch nicht spät, doch heute war die längste Nacht des Jahres. Vielleicht würde sie eine helle Nacht werden, in der Monderlach Mensch und Tier seine Allgegenwart zeigte, vielleicht aber auch eine dunkle, wolkenverhangene, in der sich das Neue und Ungewisse anbahnte und womöglich die ruchlosen Geschöpfe des Schinderschlundes über die Welt stapften. Noch war nichts abzusehen.
    Tollwart hatte soeben den zweiten Teller Suppe geleert, als er sein Federvieh aufgeregt schnattern hörte. Er schlüpfte geschwind in seine Stiefel und rannte zur Tür. Erst im Freien fiel ihm ein, dass er gut beraten gewesen wäre, nach seinem langen Schwert zu greifen. Denn wenn nicht in dieser Nacht, wann war dann Vorsicht geboten?
    Die Ursache der Aufregung war offenbar. Doch bedurfte es eines erfahrenen Auges, um zu erkennen, dass das rot bepelzte Tier mit den großen Ohren, das Tollwart ertappt anstarrte, kein Fuchs war, sondern ein Wolf. Die kleinwüchsigen Räuber waren erst neuerdings in der Gegend anzutreffen. Sie waren Fremde hier. Scheue, furchtsame Tiere, selbst im Rudel noch.
    Tollwart drohte dem Wölfchen mit dem Finger und lachte, als es flüchtete.
    Er wollte gerade wieder ins Haus zurück, als er im Schnee einen Beutel entdeckte. Neugierig hob er ihn auf. Wer mochte ihn verloren haben? Der Wolf würde es wohl nicht gewesen sein.
    Wieder im Warmen, schaute sich Tollwart den Beutel genauer an. Er war prall gefüllt und mochte vielleicht ein Altes Pfund wiegen. Sein Inhalt fühlte sich weich und formlos an, wie Brei oder Mus. Doch wer würde einen so hübschen Beutel mit Mus füllen? Er war aus Leder, dem weichsten, das Tollwart je gefühlt hatte. Bewundernd hob er den Beutel in Augenhöhe … und war sich plötzlich keineswegs mehr sicher, dass er überhaupt aus Leder war. Dann fiel sein Blick auf die Nähte: so winzig, so völlig gleichmäßig … Tollwart legte den Beutel rasch auf den Tisch. Das war kein Menschenwerk! Aber was war es dann? Ein Geschenk oder ein Fluch? Nachdenklich ließ er die Finger durch den weißen Bart gleiten. Besser warten und gründlichen nachdenken, als sich auf etwas einzulassen, dessen Folgen er nicht kannte!
    Erneut meldeten sich die Gänse. Anscheinend hatte sich das Wölfchen zurückgewagt. Tollwart war nicht eben unglücklich über diese Ablenkung, doch eine deutlichere Sprache war nun angemessen! Er nahm den Schürhaken und ging nach draußen. Dort stutzte er. Mit diesem Besuch hatte er nicht gerechnet! Grimmig blickte er zu dem Reiter auf, auf dessen Helm und Umhang sich der Schnee sammelte.
    »Herr Chlodekrieg, was wollt Ihr? Alles ist gesagt! Ich habe keine einzige Silbe hinzuzufügen. Die Bauern des Furchentals sind frei. Das ist altes Recht!«
    »Wie schade«, antwortete der Ritter leise. »Dabei höre ich deine Stimme doch ach so gerne, Rotsänger!«
    »So Ihr es wünscht, will ich sie Euch gleich lauter hören lassen!«, schnaubte Tollwart und begann trotzig zu singen. »Für immer frei, mein Furchental, so wie es einst geschworen, und jedem Tyrannen getrotzt …«
    Er brach sein Lied ab, als er entdeckte, dass der Ritter mit Begleitern gekommen war. Fest umklammerte Tollwart das Schüreisen. Er hatte die falsche Wahl getroffen.
     
    *
     
    Aus sicherer Deckung beobachteten die Kobolde Tollwarts Haus.
    »Es ist kalt!«, stellte Hutzel fest.
    »Es ist lausig kalt!«, stimmte Rempel Stilz zu.
    »Es ist kackpuhlausig kalt!«, bekräftigte Riette.
    Brams liebte keine Komplikationen. Der Mensch hätte längst schlafen sollen! Das tat er nicht. Stattdessen empfing er Besucher. »Du bist nicht der Erste und auch nicht der Letzte«, behauptete einer von ihnen gerade lautstark. Hoffentlich verschwanden sie bald!
    »Es ist besucherkackpuhlausig kalt!«, stieß Brams grimmig aus.
    Wenig später wurde sein Wunsch erfüllt. Die Besucher entfernten sich. Nun lag das Haus im Dunkeln. Das war gut. Offenbar war sein Bewohner sogleich schlafen gegangen.
    Die Kobolde warteten noch kurze Zeit, dann gab Brams das Zeichen: »Ohne zu zählen, los!«
    Jeder ergriff eine Kante der Tür, und dann huschten die vier zum Haus. Dort stellten sie sie gegen die Hauswand. Binnen weniger Augenblicke war sie mit ihr verschmolzen und erschien nun wie jede andere Tür des Hauses. »Toll!«, flüsterte Birke begeistert.
    Brams drückte ihre Klinke, und ein Kobold nach dem anderen schlich

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