Das Fest der Zwerge
später hörte er ein Zischen. Das Kirstenkind kniete nun neben dem offenen Kamin. Aus einem Schächtelchen entnahm es Schwefelhölzer, entzündete sie und wärmte sich die klammen Finger an der kleinen Flamme. War ein Hölzchen abgebrannt, so griff das Mädchen nach einem neuen. Unversehens stand Rempel Stilz bei ihr. »Her damit!«, forderte er grimmig. »Diese Verschwendung ist unerträglich!«
»Aber es ist so kalt!«, klagte das Kirstenkind.
»Wenn in einer halben Stunde alle Hölzer verbrannt sind, so wird dir noch kälter sein«, versprach Rempel Stilz mitleidlos. »Nun geh irgendwohin, wo du mir nicht im Wege bist!«
Brams wunderte sich nicht, als Hutzel und Riette kurz danach fast gleichlautende Worte sprachen.
Im Nu hatte er die Pantoffeln gerichtet, neu vernäht, verziert und mit nützlichen Extras versehen. Er packte sein Werkzeug ein und ging zu dem Mädchen. Hutzel schritt inzwischen auf einem Tisch hin und her und verkündete stolz: »Wackelt nicht mehr!« Derweil öffnete und schloss Riette begeistert eine Schranktür. »Kein Quietschen! Außerdem kann man jetzt auch endlich drinnen sitzen und Milch trinken.«
Brams reichte dem Kirstenkind die Pantoffeln. Obwohl er nicht Maß genommen hatte, wusste er, dass sie wie angegossen passten. Das Mädchen zitterte am ganzen Leib und wimmerte. »Es ist so kalt!«
»Keine Sorge!«, rief Rempel Stilz. »Das haben wir gleich.«
Wie zuvor das Kirstenkind entzündete er ein Schwefelhölzchen. Doch statt eines Flämmchens sprang aus seinem Köpfchen jetzt eine unterarmlange Flamme, die wie ein zorniger Drache fauchte. Rempel Stilz warf das Hölzchen in den Kamin. Rasch wurde es wärmer im Haus, und schon nach kurzer Zeit glühten die Steine des Kamins dunkelrot. »Das Haus wird abbrennen!«, jammerte das Kirstenkind.
Rempel Stilz kicherte. »Keine Sorge! Das sind selbstregulierende Ei … ach, das verstehst du sowieso nicht … Merk dir einfach: Alles ist bestens verfugt! Wenn du jeden zweiten Tage ein Hölzchen nachwirfst, so wirst du es bis zum Spätherbst mollig warm haben.«
Als von draußen das Klirren schmelzender und herabfallender Eiszapfen ertönte, erinnerte sich Brams wieder an ihr Anliegen. »Nun verrate uns, wo andere dicke, rote Männer zu finden sind!«
*
Grimmig verfolgte Ritter Chlodekrieg das Tun seiner Männer. Zwei waren bei den Ställen, zwei weitere durchsuchten das Haus. Es besaß ein Obergeschoss, bot also erstaunlich viel Platz für seinen wiederum allein lebenden Bewohner. Allerdings war das Haus dieses Roten Sängers stockdunkel gewesen, als sie es erreicht hatten.
»Er kann nichts von unserem Kommen geahnt haben«, beteuerte Schildwart.
»Natürlich nicht«, knurrte Chlodekrieg. »Jedenfalls nicht, wenn alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Aber ist es das? Was weißt du über die Roten Sänger, Schildwart?«
Sein Nebenmann zuckte die Schultern. »Sie sind eine Art Barden, Bewahrer alter Gesänge. Das ist eigentlich schon alles, was ich weiß. Diesen alte Vertrag kenne ich selbstverständlich noch: Solange es im Furchental Rote Sänger gibt und so weiter.«
»Da gibt es noch mehr, was sich zu wissen lohnt, Schildwart«, antwortete der Ritter kühl und senkte gleichzeitig seine Stimme. »Sie sollen einst mit Mächten im Bunde gestanden und Kräfte besessen haben, wenn du verstehst, was ich meine.«
Schildwart war entsetzt. »Das kann nicht sein! Der damalige König hätte nie …«
»Wenn er nun keine andere Wahl hatte?«, unterbrach ihn Chlodekrieg.
»Aber die Priesterschaft! Monderlach!«
»Sei nicht blöd, Schildwart! Du weißt, wie es ist. Eine Hand und die andere und so weiter. Ich will nicht genauer werden oder gar in Einzelheiten gehen. Sie haben entsagt. Ganz einfach! Entsagt! Räudige Schafe, Vergebung und so weiter.«
»Räudige Schafe?«, wiederholte Schildwart verwirrt.
»Reu-ig, Kerl! Reu-ig. Putz dir die Ohren!«
Die Waffenknechte hatten ihre Arbeit erledigt. »Er muss schon gestern weggegangen sein, Herr«, berichtete einer.
»Aber er plante nicht, lange fernzubleiben«, fügte der nächste hinzu. »Seine Gänse und Ziegen sind versorgt, aber Futter und Wasser reichen nur bis morgen.«
Chlodekriegs Laune wurde schlagartig besser. »Na also, dann warten wir eben auf ihn. Dieser eine noch, und der Spuk hat endlich ein Ende!«
*
Riette machte sich ganz groß. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, streckte den Arm aus und stupste mit den Fingern ihrer Linken kräftig gegen die
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