Das Fest der Zwerge
sich an seinem Arm und kreischte: »Gib her! Gib her!«
Chlodekrieg versuchte es abzuschütteln, doch ohne Erfolg! Ein zweites Wesen kam dem ersten zu Hilfe, indem es unaufhörlich gegen Chlodekriegs Schienbein trat. Der Schmerz machte den Ritter nur noch ärgerlicher. Er setzt zu einem mörderischem Schlag auf den Kopf des Tretenden an, doch gerade noch rechtzeitig sprang eine dritte Gestalt dazwischen und fing den Hieb mit winzigen Händchen ab. Chlodekrieg wollte die Faust erneut heben, doch sein Handgelenk war wie in einer stählernen Klammer gefangen. Das gab es doch nicht!
»Hilf mir, ihn auf die Knie herunterzuziehen, damit wir besser an ihn herankommen, Hutzel«, forderte eine Stimme.
»Lasst gefälligst ab von mir, oder …«, drohte der Ritter, als er gewahr wurde, dass ein weiterer Plagegeist blitzschnell seinen Rücken hinaufkletterte und ihn kratzte, biss und an den Haaren zog. Nun wurde es ihm doch zuviel. »Herbei!«, brüllte er. »Zu Hilfe! Herbei!«
Sogleich legten sich kurze Ärmchen um seinen Hals, um ihm die Luft abzuschnüren. Doch schon erklang Gepolter auf der Treppe. Die Stimme eines Waffenknechtes fragte besorgt: »Herr, geht es euch auch wirklich gut?«
Chlodekrieg wollte antworten, brachte aber nur ein Röcheln hervor. Wütend vernahm er neben seinem Ohr eine Stimme, die ganz genau wie seine eigene klang: »Kann ein Ritter in diesem Haus nicht ein einziges Mal tun, was ein Ritter tun muss? Verschwindet, ihr elendiglichen Kackpuhs, bevor ich mich vergesse!«
»Ja, Herr, sofort! Entschuldigt«, antworteten zwei aufgeregte Stimmen. Die Schritte entfernten sich, und der Kampf ging mit aller Härte weiter. Chlodekrieg merkte, dass das Beutelchen immer weiter aus seiner Hand gewunden wurde. Zähne bohrten sich in seine Daumen. Er griff fester zu! Da knallte es, der Beutel platzte und sein Inhalt schoss heraus. Umgehend ließ das Wesen an seiner Hand von ihm ab, und auch die anderen drei zogen sich zurück.
»Das habt ihr nun davon«, sprach der Ritter grimmig. Seinem ursprünglichen Plan folgend, trat einen schnellen Schritt auf das Schwert zu, glitt dann aber auf dem schleimigen Brei aus, der aus dem Beutel gespritzt war, und schlug hart auf dem Boden auf.
»Kunststückchen! Toll!«, rief eine jugendliche Stimme erfreut. Der Ritter wandte in Erwartung einer weiteren Gestalt das Gesicht zur Tür. Doch da stand niemand. Er sah nichts außer der Tür, die es nicht geben konnte, und dem Schnee, der durch sie hereinfiel.
Doch dann entdeckte er noch etwas anderes.
Der Beutelinhalt, in dem er lag, war in Bewegung geraten. Eigenständig schienen sich Formen aus ihm herauszuwölben. Eine sah aus wie ein Paar tonlos flüsternder Lippen, eine andere wie ein Auge. Neugierig, aber ohne zugehörige Stirn, Braue und Wange beobachtete es Chlodekrieg. Der Ritter öffnete den Mund zu einem Schreckensschrei, als ihm ein glitzerndes Pulver ins Gesicht geblasen wurde. Sofort wurde alles um ihn herum bedeutungslos. Er fühlte sich so glücklich und zufrieden wie zuletzt an der Brust seiner Mutter. Aus weiter Ferne hörte er Stimmen. Was sie besprachen, kümmerte ihn aber ebenso wenig wie das Gebilde neben ihm, das mehr und mehr ihm selbst glich.
»Jetzt haben wir zwei! Wir können nicht zwei seiner Sorte hierlassen. Das fällt womöglich auf.«
»Wir brauchen doch sowieso einen. Also lassen wir den Wechselbalg hier und nehmen wie immer den echten mit.«
»Aber er erfüllt doch überhaupt keine Spezifikation!«
»Lasst mich nur machen! Da lässt sich einiges bewerkstelligen.«
Chlodekrieg verfolgte das Gespräch nicht weiter. Seine Welt war frei von Sorgen, obwohl er sich dringend welche hätte machen sollen!
*
Schildwart hatte seinen Herrn noch nie so aufgeräumt gesehen, schon gar nicht zu so früher Stunde. Er war wie ausgewechselt. Pfeifend rannte er die Treppenstiege herab und befahl vergnügt: »Schildwartchen, lass alle meine Männlein draußen antreten!«
»Warum, Herr? Nähert sich der Rotbarde?«
»Weil es Spaß macht«, antwortete der Ritter, ohne auf die zweite Frage einzugehen. Schildwart gehorchte, und mürrisch versammelten sich die Waffenknechte vor dem Haus. Frischer Schnee hatte die Spuren ihrer Ankunft längst zugedeckt.
»Wer hat den letzten aufgehängt?«, fragte Chlodekrieg.
Zwei Waffenknechte meldeten sich. »Gut! Nun lasst euch selber aufknüpfen!«, befahl er.
Sogleich erhob sich Geschrei und erklangen Rufe nach Gnade. Chlodekrieg kicherte und tätschelte ihre
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