Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest der Zwerge

Das Fest der Zwerge

Titel: Das Fest der Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Polzin
Vom Netzwerk:
völlig aufgeschmissen ohne mich.«
    » Korr, das ist wahr.« Balbok nickte.
    »Na bitte. Deswegen bin ich es, der sich versteckt. Also heb jetzt endlich deine hässliche Visage aus der Deckung und finde heraus, was die Menschen dort unten treiben. Girgas sagte, er hätte Hunger, und wenn er kein Menschenfleisch zwischen die Zähne bekommt, dann wirft er am Ende uns in den Kessel. Kapiert?«
    »Korr«, bestätigte Balbok noch einmal, dann machte er endlich Anstalten, einen Blick über den Grat der Schneewehe zu werfen.
    »Und beeil dich«, gab Rammar ihm mit auf den Weg. »Deinetwegen friere ich mir hier noch den verdammten asar ab …«
    Diesmal tat Balbok, was man von ihm verlangte. Dabei verhielt es sich keineswegs so, dass der hagere Ork ein Feigling gewesen wäre, aber er pflegte stets das zu tun, was man ihm sagte. Und wenn man ihm keine genauen Anweisungen gab, folgte er eben dem Vorbild seines feisten Bruders.
    »Und?«, erkundigte sich Rammar, aus der Deckung. »Was siehst du?«
    »Menschen«, drang es gedämpft zurück.
    »Wie viele?«, erkundigte sich Rammar, obwohl Zählen nicht eben zu den Stärken eines Orks gehörte.
    »Nur einen.«
    »Was?«
    »Nur einen«, wiederholte Balbok leise.
    »Nicht möglich!« Rammar hielt es auf seiner Tauchstation nicht mehr aus. Sollten sie den ganzen Aufwand – Anpirschen, Flüstern, bäuchlings durch den Schnee kriechen, sich vor Anspannung fast ins Kettenhemd erleichtern – wirklich nur eines einzigen Menschen wegen betrieben haben? Rammar hatte erwartet, mindestens auf einen Kriegstrupp zu stoßen, wenn nicht auf eine ganze Kompa …
    Aber Balbok hatte recht.
    Dort unten, am Fuß des verschneiten Hangs, von dem die Orks hinunterblickten, befand sich tatsächlich nur ein einzelner Mensch. Er kauerte am Boden und schien erbärmlich zu frieren, während er sich mit einigen Streifen Dörrfleisch stärkte. Der Anblick allein genügte, um den beiden Brüdern das Wasser im Maul zusammenlaufen zu lassen, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen. Denn während Rammar das Dörrfleisch am liebsten aus den Händen des Menschen gerissen hätte, dachte Balbok mehr daran, Letzteren gleich mitzuverzehren …
    »Nur einer«, stöhnte Rammar fassungslos. »Und er hat uns noch nicht einmal entdeckt.«
    »Korr.« Balbok nickte. »Was tun wir?«
    »Da fragst du noch? Wir schnappen uns das Milchgesicht und massakrieren es nach allen Regeln der Kunst. Das wird auf Girgas Eindruck machen.«
    »Und wenn es eine Falle ist?«
    Rammar schickte seinem Bruder einen genervten Seitenblick. »Was soll denn das jetzt?«
    »Vielleicht verstecken sich die übrigen Menschen nur.«
    »Dämlicher Hund – siehst du irgendwo dort unten Fußspuren im Schnee?«
    » Douk. « Balbok schüttelte den Kopf.
    »Und das bedeutet?«
    »Das er … allein ist?«, fragte Balbok vorsichtig.
    »Genau das, umbal«, bestätigte Rammar und versetzte seinem Bruder einen wuchtigen Fausthieb auf dessen Helm – nur um ganz sicherzugehen, dass der Funke der Erkenntnis auch wirklich durchgedrungen war. »Wenn du dich nicht traust, dann bleib ruhig hier«, fügte Rammar hinzu und griff nach seinem saparak, »aber dann werde ich ganz allein es sein, dessen Namen Girgas laut hinausbrüllen wird.«
    Der dicke Ork war nicht mehr zu halten.
    Entschlossen sprang er auf und wollte die Schneewehe überwinden. Dabei beging er jedoch den verhängnisvollen Fehler, seine eigene Beweglichkeit zu überschätzen. Seine kurzen Beine blieben an dem hüfthohen Hindernis hängen, und statt mit donnerndem Kriegsgeschrei den Hang hinabzustürmen, schlug und schlitterte er bäuchlings zu Tal – und der Schrei, den er dabei ausstieß, klang weniger nach wildem Blutdurst als nach nackter Panik.
    » Shnooooooorsh … !«
    Balbok, der sah, wie sein Bruder als lebende Lawine den Hang hinabdonnerte, verschwendete keinen Augenblick. Ohne Zögern sprang er auf und setzte über die Deckung, wobei seine langen Beine ihm ungleich zuverlässigere Dienste leisteten als Rammars stumpige Glieder. Mit ausgreifenden Schritten setzte er den Abhang hinab, wobei seine großen Füße kaum einsanken, sondern sich als natürliche Schneeschuhe erwiesen. In Windeseile holte Balbok seinen Bruder ein.
    Rammar freilich bekam davon nichts mit. Bereits nach der ersten Umdrehung hatte er völlig die Orientierung verloren und wusste nicht mehr, wo oben und unten war. Erbärmliche Schreie ausstoßend, stürzte und kullerte er weiter und verstummte erst, als er den Fuß des Hügels

Weitere Kostenlose Bücher