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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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sagte. Ein Gefühl von Glück, von Optimismus erfaßte ihn. Der Tag, der mit schlechter Laune und bösen Vorzeichen begonnen hatte, war schön geworden, wie die Küstenlandschaft nach dem Platzregen, wenn die Sonne wieder hervorbricht.
    Er erhob sich, und alle taten es ihm nach, wie Soldaten auf einen Befehl hin. Während er sich hinunterbeugte, um Dorothy Gittleman beim Aufstehen zu helfen, beschloß er mit der ganzen Kraft seiner Seele: ›Heute nacht werde ich im Mahagonihaus eine Frau zum Schreien bringen, wie vor zwanzig Jahren.‹ Ihm war, als gerieten seine Hoden in Wallung und als richtete seine Rute sich langsam auf.

    XII

    Salvador Estrella Sadhalá dachte, daß er nie den Libanon kennenlernen würde, und dieser Gedanke deprimierte ihn. Seit seiner Kindheit träumte er immer wieder davon, daß er eines Tages den Hohen Libanon besuchen würde, diese Stadt oder eher dieses Dorf namens Basquinta, aus dem die Familie Sadhalá stammte und aus dem die Vorfahren seiner Mutter am Ende des vorigen Jahrhunderts ihres katholischen Glaubens wegen vertrieben worden waren. Salvador wuchs mit den Geschichten auf, die Mama Paulina über die Geschicke und Mißgeschicke der wohlhabenden Kaufleute Sadhalá im Libanon erzählte; wie sie alles verloren hatten und welche Widrigkeiten Don Abraham Sadhalá und die Seinen auf der Flucht vor den Verfolgungen durchmachten, denen die christliche Minderheit seitens der muslimischen Mehrheit ausgesetzt war. Sie zogen durch die halbe Welt, Christus und dem Kreuz treu, bis sie in Haiti und dann in der Dominikanischen Republik landeten. In Santiago de los Caballeros schlugen sie Wurzeln, arbeiteten mit ihrer sprichwörtlichen Hingabe und Redlichkeit und gelangten in ihrer neuen Heimat erneut zu Wohlstand und Ansehen. Obwohl Salvador seine mütterlichen Verwandten selten sah, fühlte er sich im Bann der Geschichten Mama Paulinas immer als ein Sadhalá. Deshalb träumte er davon, dieses geheimnisvolle Basquinta zu besuchen, das er nie auf den Landkarten des Mittleren Orients fand. Warum erfaßte ihn auf einmal die Gewißheit, daß er niemals einen Fuß in das exotische Land seiner Vorfahren setzen würde?
    »Ich glaube, ich bin eingeschlafen«, hörte er auf dem Vordersitz Antonio de la Maza sagen. Er sah, wie er die Augen rieb.
    »Ihr seid alle eingeschlafen«, erwiderte Salvador. »Mach dir keine Sorgen, ich pass’ auf die Autos auf, die aus Ciudad Trujillo kommen.«
    »Ich auch«, sagte neben ihm Leutnant Amado García Guerrero. »Es sieht aus, als würde ich schlafen, weil ich keinen
    Muskel bewege und meinen Kopf leermache. Es ist eine Form der Entspannung, die ich bei der Armee gelernt habe.«
    »Wird er auch sicher kommen, Amadito?« provozierte ihn Tony Imbert von seinem Platz hinter dem Lenkrad aus. Der Türke gewahrte seinen vorwurfsvollen Ton. Wie ungerecht! Als wäre Amadito schuld daran, daß Trujillo möglicherweise seine Fahrt nach San Cristóbal abgesagt hatte. »Ja, Tony«, knurrte der Leutnant im Brustton der Überzeugung. »Er wird kommen.«
    Der Türke war nicht mehr so sicher; sie warteten schon eine Stunde und fünfzehn Minuten. Noch ein verlorener Tag voll Enthusiasmus, Angst und Hoffnung. Mit seinen zweiundvierzig Jahren war Salvador einer der ältesten der sieben Männer, die in den drei Autos, die Trujillo an der Straße nach San Cristóbal erwarteten, Stellung bezogen hatten. Er fühlte sich nicht alt, alles andere als das. Seine Kraft war noch immer so außergewöhnlich, wie sie mit dreißig gewesen war, als es auf dem Landgut Los Almácigos hieß, der Türke könne einen Esel mit einem Fausthieb hinter das Ohr töten. Seine Muskelstärke war legendär. Das wußten alle, die sich die Handschuhe angezogen hatten und mit ihm in den Ring der Besserungsanstalt in Santiago gestiegen waren, wo seine Bemühungen, jungen Kriminellen und Herumtreibern den Sport nahezubringen, wahre Wunder gewirkt hatten. Von dort kam Kid Dinamita, Gewinner des Goldenen Handschuhs, der als Boxer in der ganzen Karibik bekannt wurde.
    Salvador liebte die Familie seiner Mutter und war stolz auf sein arabisch-libanesisches Blut, aber die Sadhalás hatten nicht gewollt, daß er auf die Welt kam; sie setzten seiner Mutter heftigen Widerstand entgegen, als Paulina ihnen mitteilte, daß Piro Estrella ihr den Hof machte, ein Mulatte, Militär und Politiker, drei Dinge, vor denen die Sadhalás – der Türke lächelte – erschauerten. Die Ablehnung der Familie hatte das Ergebnis, daß Piro

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