Das Fest des Ziegenbocks
fünfte Gebot achten. Aber er kehrte unfehlbar immer dann zurück, wenn er in El Caríbe oder in La Nation die Attacken gegen Monsignore Panal und Monsignore Reilly las oder sie in der Dominikanischen Stimme hörte: Agenten ausländischer Mächte, Söldner des Kommunismus, Kolonialisten, Verräter, Schlangen. Armer Monsignore Panal! Einen Priester als Ausländer zu brandmarken, der sein apostolisches Amt seit dreißig Jahren in La Vega ausübte, wo er bei Gleich- und Andersdenkenden beliebt war. Die von Johnny Abbes ins Werk gesetzten Niederträchtigkeiten – wer sonst hätte derartige Hexenverfolgungen ausklügeln können – , von denen der Türke durch Pater Fortín und das menschliche Tamtam erfuhr, ließen seine Skrupel schwinden. Der Tropfen, der das Glas zum Überlaufen brachte, war das gotteslästerliche Spektakel, dessen Opfer Monsignore Panal in der Kirche in La Vega wurde, als er die Zwölf-Uhr-Messe zelebrierte. In dem Augenblick, da Monsignore Panal das Evangelium des Tages las, drang in das dicht von Gemeindemitgliedern besetzte Kirchenschiff eine Schar geschminkter, halbnackter Flittchen ein, näherte sich der Kanzel, beschimpfte und verhöhnte den alten Bischof vor den perplexen Gläubigen und beschuldigte ihn, sie geschwängert zu haben und ein Sittenstrolch zu sein. Eine von ihnen bemächtigte sich des Mikrofons und schrie: »Erkenne die Kinder an, die du uns gemacht hast, und verurteile sie nicht zum Hungertod.« Als einige Anwesende reagierten und versuchten, die Huren aus der Kirche zu vertreiben und den Bischof zu beschützen, der das ganze ungläubig verfolgte, stürzten die caliés herein, etwa zwanzig mit Stöcken und Ketten bewaffnete Schläger, die erbarmungslos auf die Gläubigen losgingen. Arme Bischöfe! Sie beschmierten ihre Häuser mit Beschimpfungen. Monsignore Reilly jagten sie in San Juan de la Maguana den Lieferwagen in die Luft, mit dem er sich in der Diözese bewegte, und bombardierten sein Haus jede Nacht mit toten Tieren, mit Jauche, ließen lebende Ratten los, bis sie ihn so weit hatten, daß er in Ciudad Trujillo, in der Santo-Domin-go-Schule, Zuflucht suchte. Der unbeirrbare Monsignore Panal hielt in La Vega weiter den Drohungen, den Niederträchtigkeiten, den Beleidigungen stand. Ein alter Mann aus dem Stoff der Märtyrer. An einem jener Tage erschien der Türke zu Hause bei Pater Fortín. Sein volles, flächiges Gesicht war verzerrt. »Was ist mit dir, Salvador?«
»Ich werde Trujillo umbringen, Pater. Ich möchte wissen, ob ich der Verdammnis anheimfalle.« Seine Stimme versagte. »Das kann nicht so weitergehen. Was sie mit den Bischöfen machen, mit den Kirchen, diese widerwärtige Kampagne im Fernsehen, im Rundfunk und in den Zeitungen. Man muß dem ein Ende machen, der Hydra den Kopf abschneiden. Werde ich der Verdammnis anheimfallen?«
Pater Fortin beruhigte ihn. Er bot ihm frisch aufgebrühten Kaffee an und machte mit ihm einen langen Spaziergang durch die von Lorbeerbäumen gesäumten Straßen Santiagos. Eine Woche später teilte er ihm mit, daß der apostolische Nuntius, Monsignore Lino Zanini, ihn in Ciudad Trujillo in einer Privataudienz empfangen werde. Der Türke erschien verlegen im eleganten Haus der Nuntiatur, in der Avenida Máximo Gómez. Doch der Kirchenfürst verhielt sich so, daß sich der schüchterne Riese, eingezwängt in sein Oberhemd und mit einer Krawatte, die er sich für die Audienz beim Vertreter des Papstes umgebunden hatte, vom ersten Augenblick an wohl fühlte.
Wie elegant Monsignore Zanini war und wie gut er sprach! Ein wahrer Fürst, zweifellos. Salvador hatte viele Geschichten über den Nuntius gehört und brachte ihm Sympathie entgegen, denn es hieß, Trujillo hasse ihn. Ob es stimmte, daß Perón das Land verlassen hatte, in dem er seit sieben Monaten im Exil lebte, als er von der Ankunft des neuen Nuntius Seiner Heiligkeit erfuhr? Das behaupteten alle. Daß er in den Regierungspalast geeilt sei: »Seien Sie auf der Hut, Exzellenz. Gegen die Kirche kommt man nicht an. Denken Sie daran, wie es mir ergangen ist. Mich haben nicht die Militärs, sondern die Geistlichen gestürzt. Dieser Nuntius, den der Vatikan Ihnen schickt, ist genau wie der, den er mir geschickt hat, als die Scherereien mit den Pfaffen begannen. Hüten Sie sich vor ihm!« Und der Ex-Diktator packte die Koffer und setzte sich nach Spanien ab.
Nach diesem Treffen war der Türke bereit, all das Gute zu glauben, das man über Monsignore Zanini erzählte. Der Nuntius bat
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