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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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ihn in sein Büro, bot ihm Erfrischungsgetränke an und ermunterte ihn mit freundlichen Worten – in einem melodiösen, italienisch gefärbten Spanisch, das auf Salvador wie Engelsmu sik wirkte – , auszusprechen, was er auf dem Herzen habe. Er hörte aus Salvadors Mund, daß er das Geschehen nicht länger ertragen könne, daß das Vorgehen des Regimes gegen die Kirche, gegen die Bischöfe ihn rasend mache. Nach einer langen Pause griff er nach der beringten Hand des Nuntius: »Ich werde Trujillo umbringen, Monsignore. Wird es Vergebung für meine Seele geben?«
    Seine Stimme versagte. Er verharrte mit gesenktem Blick und atmete heftig. Er fühlte auf seiner Schulter die väterliche Hand von Monsignore Zanini. Als er schließlich die Augen hob, hatte der Nuntius ein Buch von Thomas von Aquin in den Händen. Sein frisches Gesicht lächelte ihn spitzbübisch an. Ein Finger wies auf eine Stelle der aufgeschlagenen Seite. Salvador beugte sich vor und las: »Die Vernichtung der Bestie wird von Gott mit Wohlgefallen betrachtet, wenn dadurch ein Volk befreit wird.« Er verließ die Nuntiatur in einem tranceähnlichen Zustand. Eine ganze Weile lief er auf der Avenida George Washington am Meer entlang, mit einem Gefühl innerer Ruhe, das er lange nicht mehr erlebt hatte. Er würde die Bestie töten, und Gott und seine Kirche würden ihm vergeben; er würde sich mit Blut beflecken und damit das Blut sühnen, das die Bestie in seinem Vaterland vergossen hatte.
    Aber würde er kommen? Er spürte die ungeheure Anspannung, in die das Warten seine Gefährten versetzt hatte. Keiner machte den Mund auf; sie bewegten sich auch nicht. Er hörte sie atmen: Tony Imbert, an das Lenkrad geklammert, ruhig, in langen Zügen; rasch und keuchend Antonio de la Maza, der den Blick nicht von der Straße löste; und neben ihm der regelmäßige, tiefe Atem Amaditos, sein Gesicht, das ebenfalls Ciudad Trujillo zugewandt war. Seine drei Freunde hielten gewiß die Waffe in der Hand wie er. Der Türke fühlte den Griff der 38er Smith & Wesson, die er vor Zeiten in der Eisenwarenhandlung eines Freundes aus Santiago gekauft hatte. Amadito hatte außer einer 45 er Pistole ein Schnellfeuergewehr – es entstammte dem lächerlichen Beitrag der Yankees zur Verschwörung – und, wie Antonio, eine der beiden Browning-Flinten Kaliber 12, deren Lauf der Spanier Miguel Angel Bissié, ein Freund von Antonio de la Maza, in seiner Werkstatt abgesägt hatte. Sie waren mit Spezialgeschossen geladen, die ein anderer Freund Antonios, Manuel de Ovín Filpo, ebenfalls Spanier und ehemaliger Artillerieoffizier, angefertigt und ihnen mit der Versicherung übergeben hatte, daß jede dieser Kugeln eine tödliche Ladung enthielt, die imstande war, einen Elefanten zu zerfetzen. Hoffentlich. Es war Salvador gewesen, der vorgeschlagen hatte, die Gewehre des CIA sollten Leutnant García Guerrero und Antonio de la Maza ausgehändigt werden und diese die Sitze auf der rechten Seite, am Fenster, einnehmen. Sie waren die besten Schützen, sie würden zuerst und aus größter Nähe schießen müssen. Alle waren einverstanden. Würde er kommen? Würde er kommen?
    Die Dankbarkeit und die Bewunderung, die Salvador Estrella Sadhalá für Monsignore Zanini empfand, verstärkten sich noch, als er wenige Wochen nach diesem Gespräch in der Nuntiatur erfuhr, daß die Barmherzigen Mercedarierinnen beschlossen hatten, Gisela, seine Schwester, die Nonne geworden war – Schwester Paulina – , von Santiago nach Puerto Rico zu bringen. Gisela, die verwöhnte kleine Schwester, der Liebling Salvadors. Sehr viel mehr noch, seit sie sich für das religiöse Leben entschieden hatte. An dem Tag, als sie ihr Gelübde ablegte und den Namen von Mama Paulina wählte, konnte der Türke die Tränen nicht zurückhalten. Immer wenn er einen Augenblick mit Schwester Paulina verbringen konnte, fühlte er sich erlöst, gestärkt, vergeistigt, und etwas von der heiteren Gelassenheit, die von der geliebten kleinen Schwester ausging, von der ruhigen Sicherheit, mit der sie ihr dem Herrn geweihtes Leben lebte, übertrug sich auch auf ihn. Hatte Pater Fortín dem Nuntius gesagt, wie sehr ihn der Gedanke ängstigte, daß seiner religiösen Schwester etwas zustoßen konnte, wenn das Regime seine konspiraüve Tätigkeit entdeckte? Nicht einen einzigen Augenblick dachte er, der Umzug von Schwester Paulina nach Puerto Rico sei Zufall gewesen. Es war eine weise, großzügige Entscheidung der Kirche des Herrn, um eine

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