Das Fest des Ziegenbocks
Seite gewandt, den Rücken zu und stützte den Kolben des Mi auf seine Schulter, den Finger am Abzug, ›lch danke dir, Herr, im Namen deiner dominikanischen Söhne‹, betete Salvador. Der Chevrolet Biscayne von Antonio de la Maza flog über die Landstraße und verkürzte den Abstand zum hellblauen Chevrolet Bei Air, den Amadito García Guerrero ihnen so oft beschrieben hatte. Der Türke erkannte das offizielle schwarzweiße Kennzeichen mit der Nummer 0-1823, die Vorhänge an den Fenstern. Wirklich, ja, es war der Wagen, den der Chef benutzte, um zu seinem Mahagonihaus in San Cristóbal zu fahren. Salvador hatte einen wiederkehrenden Alptraum mit diesem Chevrolet Biscayne gehabt, den Tony Imbert lenkte. Sie fuhren wie jetzt, unter einem Himmel mit Mond und Sternen, und plötzlich begann dieses neue, für die Verfolgung präparierte Auto abzubremsen, langsamer zu werden, bis es, begleitet von ihren Flüchen, stehenblieb. Salvador sah, wie sich das Auto des Wohltäters in der Dunkelheit verlor. Der Chevrolet Bel Air beschleunigte weiter – er mußte schon bei mehr als hundert Stundenkilometern sein –, und zeichnete sich vor ihnen deutlich im Schein des Fernlichts ab, das Imbert eingeschaltet hatte. Salvador kannte die Geschichte dieses Autos bis ins Detail, seitdem sie dem Vorschlag von Leutnant García Guerrero gefolgt waren und vereinbart hatten, Trujillo bei seiner wöchentlichen Fahrt nach San Cristóbal einen Hinterhalt zu legen. Es war klar, daß der Erfolg von einem raschen Fahrzeug abhing. Antonio de la Maza war ein Autofan. Bei Santo Domingo Motors wunderte sich niemand, daß jemand, der wegen seiner Arbeit an der Grenze zu Haiti jede Woche Hunderte von Kilometern zurücklegte, einen speziellen Wagen wollte. Sie empfahlen ihm den Chevrolet Biscayne und bestellten ihn für ihn in den Vereinigten Staaten. Er war vor drei Monaten in Ciudad Trujillo eingetroffen. Salvador erinnerte sich an den Tag, an dem sie ihn bestiegen, um ihn auszuprobieren, und wie sie beim Lesen der Gebrauchsanweisung lachten, in der es hieß, dieses Auto sei das Modell, das die New Yorker Polizei bei der Verbrecherjagd benutze. Klimaanlage, Automatik, hydraulische Bremsen und ein Acht-Zylinder-Motor mit 3 5 o Kubik. Er hatte siebentausend Dollar gekostet, was Antonio zu dem Kommentar veranlaßte: »Die beste PesoInvestition aller Zeiten.« Sie probierten das Auto in der Umgebung von Moca aus, die Broschüre hatte nicht übertrieben: es konnte hundertsechzig Stundenkilometer erreichen.
»Paß auf, Tony«, hörte er sich nach einem Aufschlag sagen, der einen Kotflügel verbeult haben mußte. Weder Antonio noch Amadito fühlten sich angesprochen; sie hielten Kopf und Waffe weiter aus dem Fenster und warteten darauf, daß Imbert den Wagen Trujillos überholte. Sie waren weniger als zwanzig Meter entfernt, der Fahrtwind nahm den Atem, und Salvador starrte unverwandt auf den zugezogenen Vorhang des Rückfensters. Sie würden aufs Geratewohl schießen, den ganzen
Rücksitz mit Blei überziehen müssen. Er bat Gott, der Ziegenbock möge nicht in Begleitung eines dieser unglücklichen Geschöpfe sein, die er mit in sein Mahagonihaus nahm.
Als hätte er plötzlich bemerkt, daß man ihn verfolgte, oder als weigerte er sich aus sportlichem Ehrgeiz, sich überholen zu lassen, schoß der Chevrolet Bei Air einige Meter nach vorne.
»Gib Gas, verdammt«, befahl Antonio de la Maza. »Schneller, verdammt!«
In wenigen Sekunden holte der Chevrolet Biscayne wieder auf und näherte sich mehr und mehr. Und die anderen? Warum tauchten Pedro Livio und Huáscar Tejeda nicht auf? Sie waren nur zwei Kilometer weiter in dem Oldsmobile postiert, das ebenfalls Antonio de la Maza gehörte, sie hätten das Auto Trujillos schon längst abfangen müssen. Hatte Imbert vergessen, die Scheinwerfer dreimal nacheinander aus- und einzuschalten? Auch Fifí Pastoriza in Salvadors altem Mercury, der weitere zwei Kilometer vor dem Oldsmobile Stellung bezogen hatte, tauchte nicht auf. Sie mußten schon zwei, drei, vier oder mehr Kilometer zurückgelegt haben. Wo waren sie?
»Du hast die Signale vergessen, Tony«, rief der Türke. »Wir haben Pedro Livio und Fifí längst hinter uns gelassen.«
Sie waren etwa acht Meter von Trujillos Auto entfernt, und Tony verlangte Vorbeifahrt, indem er aufblendete und hupte.
»Fahr näher ran«, brüllte Antonio de la Maza. Sie fuhren noch eine Weile weiter, ohne daß der Chevrolet Bel Air, taub für Tonys Signale, die Mitte der
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