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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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junge, reine, unschuldige Frau, an der sich die Henker von Johnny Abbes vergehen konnten, dem Zugriff der Bestie zu entziehen. Das war eine der Gewohnheiten des Regimes, die Salvador am meisten empörten: seine Wut an den Verwandten derjenigen auszulassen, die es bestrafen wollte, an Vätern, Söhnen, Geschwistern, deren Besitz es beschlagnahmte, die es ins Gefängnis warf, denen es die Arbeit nahm. Wenn die Sache schiefging, würden die Vergeltungsmaßnahmen gegen seine Brüder und Schwestern unerbittlich sein. Nicht einmal sein Vater, General Piro Estrella, ein enger Freund des Wohltäters, dem er mit Banketten auf seiner Hazienda Las Lavas huldigte, bliebe verschont. All das hatte er wieder und wieder abgewogen. Die Entscheidung war getroffen. Und es war erleichternd zu wissen, daß die verbrecherische Hand Schwester Paulina in ihrem Kloster in Puerto Rico nicht erreichen konnte. Ab und zu schickte sie ihm einen liebevollen, humorvollen kleinen Brief in ihrer klaren, geraden Schrift.
    Bei aller Religiosität war Salvador nie der Gedanke gekommen, zu tun, was Giselita getan hatte: ins Kloster zu gehen. Es war eine Berufung, die ihn mit Bewunderung und Neid erfüllte, aber von der ihn der Herr ausgeschlossen hatte. Nie wäre er imstande gewesen, die Gelübde zu erfüllen, am allerwenigsten
    das der Keuschheit. Gott hatte ihn zu irdisch erschaffen, zu sehr geneigt, den Trieben nachzugeben, die ein Hirte des Herrn unterdrücken mußte, um seine Mission zu erfüllen. Seit jeher hatten es ihm die Frauen angetan, auch jetzt noch, da er in ehelicher Treue lebte, mit sporadischen Rückfällen, an denen sein Gewissen lange zu tragen hatte; der Anblick einer honig-farbenen jungen Frau mit schmaler Taille und ausgeprägten Hüften, mit sinnlichem Mund und funkelnden Augen – diese typische dominikanische Schönheit voller Koketterie im Blick, im Gehen, im Sprechen, in den Bewegungen der Hände – brachte Salvador in Wallung, entzündete seine Phantasie und sein Begehren.
    Gewöhnlich widerstand er diesen Versuchungen. Wie oft hatten seine Freunde, besonders Antonio de la Maza, der nach der Ermordung Tavitos zum Trinker geworden war, sich über ihn lustig gemacht, weil er sich geweigert hatte, sie bei ihren frühmorgendlichen Visiten in den Bordellen zu begleiten, bei ihren Besuchen in Häusern, wo die Puffmütter ihnen Mädchen verschafften, die angeblich zu deflorieren waren. Zuweilen erlag er allerdings. Danach hielt die Bitterkeit viele Tage lang an. Seit einiger Zeit hatte er sich angewöhnt, Trujillo für diese Rückfälle verantwortlich zu machen. Die Bestie war schuld daran, daß so viele Dominikaner das Unbehagen einer unfreien, würdelosen Existenz in einem Land, in dem das menschliche Leben nichts wert war, mit Huren, Räuschen und anderen Entgleisungen zu überdecken suchten. Trujillo war einer der wirksamsten Verbündeten des Teufels. »Sein Auto!« rief Antonio de la Maza. Und Amadito und Tony Imbert: »Er ist es! Sein Auto!« »Fahr los, verdammt!«
    Tony Imbert hatte es schon getan, der Chevrolet, der in Richtung Ciudad Trujillo geparkt hatte, wendete mit kreischenden Reifen – Salvador mußte an einen Polizeifilm denken – und nahm die Richtung nach San Cristóbal, in der sich auf der verlassenen, dunklen Straße Trujillos Auto
    entfernte. War es
    sein Auto? Salvador hatte es nicht gesehen, aber seine Gefährten schienen so sicher zu sein, daß es sein Auto sein mußte, daß es einfach seines sein mußte. Sein Herz klopfte laut in seiner Brust. Antonio und Amadito kurbelten die Fensterscheiben herunter, und während Imbert beschleunigte, über das Lenkrad geduckt wie ein Reiter, der sein Pferd zum Springen treibt, wurde der Fahrtwind so stark, daß Salvador kaum die Augen offen halten konnte. Er schützte sich mit seiner freien Hand; die andere hielt den Revolver. Nach und nach verkürzten sie den Abstand zu den roten Lichtern.
    »Sicher, daß es der Chevrolet des Ziegenbocks ist, Amadito?« rief er.
    »Sicher, sicher«, brüllte der Leutnant. »Ich hab den Chauffeur erkannt, Zacarías de la Cruz. Hab ich euch nicht gesagt, daß er kommen würde?«
    »Gib Gas, verdammt«, wiederholte Antonio de la Maza zum dritten oder vierten Mal. Er hatte den Kopf und den abgesägten Lauf seines Gewehrs zum Fenster hinausgestreckt.
    »Du hattest recht, Amadito«, hörte Salvador sich rufen. »Er ist gekommen und ohne Eskorte, wie du gesagt hast.« Der Leutnant hielt sein Gewehr mit beiden Händen. Er kehrte ihm, zur

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