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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Schweigen, »Es ist von Bedeutung, daß jemand dieses Memorandum zwei Wochen lang vor mir geheimgehalten hat«, sagte er frostig. »Im Sekretariat gibt es einen Verräter oder einen Versager. Ich hoffe, es ist ein Verräter, die Versager richten mehr Schaden an.«
    Er seufzte, leicht erschöpft, und mußte an Dr. Enrique Lithgow Ceara denken: Hatte er ihn wirklich töten wollen, oder war ihm die Hand ausgerutscht? Durch zwei der Fenster des Amtszimmers sah er das Meer; dickbäuchige weiße Wolken verdeckten die Sonne, und im aschgrauen Nachmittag schimmerte die bewegte, brodelnde Oberfläche des Meeres. Große Wellen brachen sich an der zerklüfteten Küste. Obwohl er in San Cristóbal, fern vom Meer, zur Welt gekommen war, liebte er nichts so sehr wie den Anblick schaumiger Wellen und der flüssigen Oberfläche, die sich am Horizont verlor.
    »Die Nonnen haben ihr ein Stipendiun gegeben, weil sie wissen, daß Cabral in Ungnade gefallen ist«, murmelte er verärgert. »Weil sie denken, daß er jetzt dem Feind dienen wird.«
    »Ich versichere Ihnen, daß das nicht der Fall ist, Exzellenz.« Der Generalissimus sah, daß Dr. Balaguer bei der Wahl der Worte zögerte. »Mutter Maria, Sister Maria, und die Direktorin der Santo-Domingo-Schule haben keine gute Meinung von Agustín. Wie es scheint, vertrug er sich nicht mit dem Mädchen, und es hatte zu Hause zu leiden. Sie wollten ihr helfen, nicht ihm. Sie erklärten mir, sie sei außergewöhnlich begabt. Es war voreilig von mir, die Erlaubnis zu unterzeichnen, es tut mir leid. Ich habe es vor allem deshalb getan, um die Beziehungen mit der Kirche zu entspannen. Dieser Konflikt erscheint mir gefährlich, Exzellenz, Sie kennen meine Meinung.« Er brachte ihn erneut zum Schweigen, mit einer fast unmerklichen Gebärde. Hatte Cerebrito schon Verrat begangen? Hatte das Gefühl, verdrängt, verlassen worden zu sein, keine Ämter, keine finanziellen Mittel zu haben, in Ungewißheit zu versinken, ihn in das Lager des Feindes getrieben? Hoffendich nicht; er war ein altgedienter Mitarbeiter, er hatte in der Vergangenheit gute Dienste geleistet und konnte sie womöglich in der Zukunft leisten. »Haben Sie Cerebrito gesehen?«
    »Nein, Exzellenz. Ich bin Ihren Anweisungen gefolgt, ihn weder zu empfangen noch seine Anrufe entgegenzunehmen. Er hat mir die zwei Briefe geschrieben, die Sie kennen. Durch Anibal, seinen Schwager, den vom Tabakkonsortium, weiß ich, daß er sehr getroffen ist. ›Am Rand des Selbstmords‹, sagte er mir.«
    War es leichtfertig gewesen, einen effizienten Diener wie Cabral in diesen für das Regime so schwierigen Momenten einer solchen Probe zu unterziehen? Vielleicht. »Genug Zeit verloren mit Agustín Cabral«, sagte er. »Die Kirche, die Vereinigten Staaten. Fangen wir da an. Was wird mit dem Bischof Reilly? Wie lange wird er noch bei den Nonnen der Santo-Domingo-Schule bleiben und den Märtyrer spielen?«
    »Ich habe ausführlich mit dem Erzbischof und mit dem Nuntius darüber gesprochen. Ich habe ihnen gegenüber darauf bestanden, daß Monsignore Reilly die SantoDomingo-Schule verlassen muß, daß seine Anwesenheit dort nicht geduldet werden kann. Ich glaube, ich habe sie überzeugt. Sie verlangen ihrerseits, daß die Unversehrtheit des Bischofs garantiert wird, daß die Kampagne in La Nation, El Caribe und in der Dominikanischen Stimme eingestellt wird. Und daß er in seine Diözese San Juan de la Maguana zurückkehren kann.«
    »Verlangen sie auch, daß Sie ihm das Amt des Präsidenten der Republik abtreten?« fragte der Wohltäter. Allein der Name
    Reilly oder Panal brachte sein Blut in Wallung. Und wenn der Chef des SIM nun recht hatte? Wenn er diesen Infektionsherd ein für allemal ausräucherte? »Abbes García schlägt mir vor, Reilly und Panal per Flugzeug in ihre Länder abzuschieben. Sie als unerwünschte Personen des Landes zu verweisen. Wie es Fidel Castro in Kuba mit den spanischen Geistlichen und Nonnen macht.« Der Präsident sagte kein Wort und rührte sich nicht. Er wartete, reglos.
    »Oder zu erlauben, daß das Volk diese beiden Verräter bestraft«, fuhr er nach einer Pause fort. »Die Leute sind ganz wild danach. Ich habe es gesehen, bei den Rundreisen der letzten Tage. In San Juan de la Maguana, in La Vega sind sie kaum zu bremsen.«
    Dr. Balaguer räumte ein, daß das Volk, wenn es könnte, sie lynchen würde. Es grolle diesen Würdenträgern, die undankbar waren gegenüber jemandem, der für die katholische Kirche mehr getan hatte

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