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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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gerufen, um mir mitzuteilen, daß ich abgesetzt bin?« fragte er ihn, ohne zu grüßen. Er trug Uniform; die Hose hing ihm unter dem Bauch, und die Kopfbedeckung saß lächerlich schief auf seinem Kopf; außer der Pistole am Gürtel trug er noch eine Maschinenpistole über der Schulter. Balaguer erkannte hinter ihm die Ganovengesichter von vier oder fünf Leibwächtern, die nicht ins Büro getreten waren. »Um Sie zu bitten, daß Sie eine diplomatische Ernennung akzeptieren«, sagte der Präsident freundlich. Seine winzige Hand wies auf einen Stuhl. »Ein begabter Patriot kann seinem Vaterland auf sehr unterschiedlichen Gebieten dienen.«
    »Wohin bringt mich das vergoldete Exil?« Abbes García verbarg weder seine Enttäuschung noch seinen Zorn. »Nach Japan«, sagte der Präsident. »Ich habe gerade Ihre Ernennung zum Konsul unterzeichnet. Ihr Gehalt und die Repräsentationskosten entsprechen denen eines Botschafters.«
    »Konnten Sie mich nicht weiter weg schicken?« »Es gibt keinen Ort«, entschuldigte sich Dr. Balaguer ohne Ironie. »Weiter entfernt ist nur noch Neuseeland, aber zu denen haben wir keine diplomatischen Beziehungen.« Die runde Gestalt rutschte schnaufend auf dem Sitz hin und her. Eine gelbe, unendlichen Verdruß ausdrückende Linie umgab die Iris seiner hervorspringenden Augen. Er hielt einen Moment das rote Taschentuch vor den Mund, als wollte er hineinspucken.
    »Sie glauben vielleicht, daß Sie gesiegt haben, Dr. Balaguer«, sagte er ausfällig. »Sie irren sich. Sie sind genauso eins mit
    diesem Regime wie ich. Genauso befleckt wie ich. Niemand wird auf das machiavellistische Spielchen reinfallen, daß ausgerechnet Sie das Land zur Demokratie führen.«
    »Es kann sein, daß ich scheitere«, räumte Balaguer ohne Feindseligkeit ein. »Aber ich muß es versuchen. Und zu diesem Zweck müssen einige geopfert werden. Ich bedaure, daß Sie der erste sind, aber es gibt keine andere Möglichkeit: Sie sind das schlimmste Gesicht des Regimes. Ein notwendiges, heldenhaftes, tragisches Gesicht, ich weiß. Daran hat mich der Generalissimus persönlich erinnert, als er auf dem gleichen Stuhl wie Sie saß. Aber aus ebendiesem Grund sind Sie in diesem Augenblick nicht zu retten. Sie sind intelligent, ich muß Ihnen das nicht erklären. Schaffen Sie der Regierung keine unnötigen Komplikationen. Reisen Sie ins Ausland und verhalten Sie sich unauffällig. Es ist das beste für Sie, sich zu entfernen, unsichtbar zu sein, bis man Sie vergißt. Sie haben zahlreiche Feinde. Und wie viele Länder würden Sie gern in die Finger kriegen. Die Vereinigten Staaten, Venezuela, Interpol, der FBI, Mexiko, ganz Mittelamerika. Sie wissen das besser als ich. Japan ist ein sicherer Ort, zumal mit diplomatischem Status. Soviel ich weiß, haben Sie sich immer für spirituelle Dinge interessiert. Die RosenkreuzerLehre, nicht wahr? Nützen Sie die Zeit, um diese Studien zu vertiefen. Sollten Sie sich anderswo niederlassen wollen, wo, möchte ich nicht wissen, werden Sie Ihr Gehalt weiter beziehen. Ich habe eine Sonderanweisung unterzeichnet, für Umzugs- und Einrichtungskosten. Zweihunderttausend Pesos, die Sie im Schatzamt abholen können. Viel Glück.«
    Er reichte ihm nicht die Hand, weil er annahm, daß der ExMilitär (am Vorabend hatte er das Dekret unterzeichnet, mit dem sein Ausscheiden aus der Armee verfügt wurde) sie nicht ergreifen würde. Abbes García saß eine ganze Weile reglos da, die Augen blutunterlaufen, und musterte ihn. Aber der Präsident wußte, daß er als praktischer Mensch das geringere Übel akzeptieren würde, statt mit einer dummen Herausforderung zu reagieren. Er sah, wie er aufstand und ging, ohne sich von ihm zu verabschieden. Er selbst diktierte einem Sekretär das Kommunique, mit dem bekanntgegeben wurde, daß der Ex-Oberst Abbes García den Nachrichtendienst verlassen habe, um eine Mission im Ausland zu übernehmen. Zwei Tage später veröffentlichte El Caribe zwischen den fünfspaltigen Todes- und Verhaftungsanzeigen der Mörder des Generalissimus ein eingerahmtes Photo, das Abbes García zeigte, wie er, eingezwängt in einen gepaspelten Mantel und mit einer Melone wie eine Gestalt von Dickens, die Gangway des Flugzeugs hinaufstieg. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Präsident beschlossen, daß der neue parlamentarische Führer, dem es obliegen würde, den Kongreß diskret zu Positionen zu führen, die für die Vereinigten Staaten und die westliche Gemeinschaft annehmbarer wären, nicht Agustín

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