Das Fest des Ziegenbocks
Niemand, der wirkliche Staatschef geworden; er bekleidete ein Amt, das die Vertreter aller Lager und vor allem die Vereinigten Staaten anerkannten. Obwohl sie anfänglich, als er dem neuen Konsul seine Pläne erklärte, zurückhaltend reagiert hatten, nahmen sie sein Versprechen, das Land allmählich, geordnet, ohne den Kommunisten eine Chance zu geben, in eine volle Demokratie zu führen, jetzt sehr viel ernster. Alle zwei oder drei Tage traf er mit dem zupackenden John Calvin Hill zusammen – ein Diplomat mit kräftigem Cowboy-Körper, der immer gleich zur Sache kam –, den er schließlich davon überzeugte, daß man in dieser Phase Ramfis als Verbündeten brauche. Der General hatte seinen Plan schrittweiser Öffnung akzeptiert. Er hielt die militärische Kontrolle in seinen Händen, so daß den brutalen Gangstern Petán und Héctor ebenso wie den primitiven trujillotreuen Militärs die Hände gebunden waren. Andernfalls hätten sie ihn, Balaguer, längst abgesetzt. Ramfis hatte Balaguer eine Reihe von Konzessionen gemacht: Rückkehr einiger Exilanten, zaghafte Kritik am Regime Trujil-los im Rundfunk und in den Zeitungen (am radikalsten war
eine neue, die im August herauskam, La Union Gvica), öffentliche Veranstaltungen der Oppositionskräfte, die die Straße zu erobern begannen, wie der rechten Union Cívica Nacional von Viriato Fiallo und Ángel Severo Cabral und der linken Revolutionären Bewegung 14. Juni. Vielleicht glaubte er ja, daß er sich damit eine politische Zukunft sichern konnte. Als könnte jemand mit dem Namen Trujillo jemals wieder eine Rolle im politischen Leben dieses Landes spielen! Vorläufig galt es, ihn in seinem Glauben zu belassen. Ramfis kontrollierte die Kanonen und besaß die Unterstützung der Militärs; die Streitkräfte zu säubern, bis der Trujillismus aus ihren Reihen getilgt wäre, würde seine Zeit dauern. Die Beziehungen der Regierung mit der Kirche waren wieder ausgezeichnet; er trank ab und zu Tee mit dem apostolischen Nuntius und dem Erzbischof Pittini. Es gab ein Problem, das er nicht in einer Weise lösen konnte, die für die internationale Öffentlichkeit akzeptierbar war: die leidigen »Menschenrechte«. Es kam täglich zu Protesten wegen der politischen Gefangenen, wegen der in La Victoria, El Nue-ve, La Cuarenta und in Gefängnissen und Kasernen des Landesinnern Gefolterten, Verschwundenen, Ermordeten. Sein Büro wurde überflutet mit Manifesten, Briefen, Telegrammen, Berichten, diplomatischen Noten. Er konnte nicht viel tun. Besser gesagt, nichts, außer vage Versprechungen zu ma chen und wegzusehen. Er hielt sich an sein Versprechen, Ramfis freie Hand zu lassen. Selbst wenn er es gewollt hätte, wäre es ihm nicht möglich gewesen, sich nicht daran zu halten. Der Sohn des Generalissimus hatte Doña Maria und Angelita nach Europa geschickt und fuhr unermüdlich fort, nach Komplizen zu fahnden, als wären Massen an der Verschwörung gegen Trujillo beteiligt gewesen. Eines Tages fragte der junge General ihn ohne Umschweife: »Wissen Sie, daß Pedro Livio Cedeno Sie in das Komplott gegen Papi verwickeln wollte?«
»Das wundert mich nicht«, sagte der Präsident lächelnd, ohne die Ruhe zu verlieren. »Die beste Verteidigung der Mörder besteht darin, alle hineinzuziehen. Vor allem Leute, die dem
Wohltäter nahestanden. Die Franzosen nennen das ›lntoxika-tion‹.«
»Wenn nur ein weiterer Mörder das bestätigt hätte, wäre Ihr Schicksal das gleiche gewesen wie das von Pupo Roman.« Ram-fis wirkte nüchtern, trotz des Alkoholhauchs, der aus seinem Mund kam. »In diesem Augenblick verflucht er, daß er geboren wurde.«
»Ich will es nicht wissen, Herr General«, unterbrach ihn Balaguer und streckte ihm die kleine Hand entgegen. »Sie haben das moralische Recht, das Verbrechen zu rächen. Aber erzählen Sie mir keine Einzelheiten, ich bitte Sie darum. Ich kann mich leichter den Kritiken der Außenwelt stellen, wenn ich nicht weiß, daß die angeprangerten Exzesse der Wahrheit entsprechen.«
»Sehr gut. Ich werde Sie nur über die Festnahme von Antonio Imbert und Luis Amiama informieren, wenn wir sie kriegen.« Balaguer sah, wie das Filmschauspielergesicht einen verlorenen Ausdruck annahm, wie immer, wenn er die beiden einzigen Beteiligten des Komplotts erwähnte, die nicht verhaftet oder tot waren. »Glauben Sie, daß sie noch im Land sind?«
»Meines Erachtens ja«, erklärte Balaguer. »Wenn sie ins Ausland geflohen wären, hätten sie Pressekonferenzen
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