Das Fest des Ziegenbocks
Cabral sein würde, sondern der Senator Henry Chirinos. Er hätte Cerebrito vorgezogen, dessen genügsame Lebensweise seiner eigenen Wesensart entgegenkam, während der Alkoholismus des Flüssigen Verfassungsrechtiers ihn abstieß. Aber er wählte diesen, weil die plötzliche Rehabilitation von jemandem, der durch eine kürzliche Entscheidung Seiner Exzellenz in Ungnade gefallen war, Leute des inneren Trujillo-Kreises irritieren konnte, die er noch brauchte. Es galt, sie noch nicht zu sehr zu provozieren. Chirinos war körperlich und moralisch abstoßend; aber grenzenlos sein Talent als Intrigant und Rechtsverdreher. Niemand kannte sich besser mit den parlamentarischen Winkelzügen aus. Sie waren nie Freunde gewesen – des Alkohols wegen, der Balaguer anwiderte – , aber der Senator frohlockte, als er in den Regierungspalast berufen wurde und vom Präsidenten erfuhr, was er von ihm erwartete, und er reagierte ebenso, als er ihn bat, er möge so rasch und unsichtbar wie möglich den Transfer von Geldern der Vortrefflichen Dame ins Ausland veranlassen. (»Ein edles Anliegen von Ihnen, Herr Präsident, die Zukunft einer illustren Matrone zu sichern, die sich ins Unglück gestürzt sieht.«) Bei jener Gelegenheit gestand ihm der Senator Chirinos, der noch keine Ahnung hatte von dem, was hinter den Kulissen vorging, er habe die Ehre gehabt, den SIM darüber zu informieren, daß sich Antonio de la Maza und General Juan Tomás Díaz im Kolonialviertel herumtrieben (er hatte sie in einem Wagen gesehen, der vor dem Haus eines Freundes in der Galle Espaillat parkte); er bat ihn, sich bei Ramfis dafür einzusetzen, daß er die Belohnung erhielt, die dieser für Hinweise ausgesetzt hatte, die zur Festnahme der Mörder seines Vaters führten. Dr. Balaguer riet ihm, auf diese Belohnung zu verzichten und diesen patriotischen Verrat nicht publik zu machen: er konnte seiner politischen Zukunft unwiderruflich schaden. Der, den Trujillo im engsten Kreis den Lebenden Dreck genannt hatte, verstand sofort:
»Erlauben Sie mir, Ihnen zu gratulieren, Herr Präsident«, rief er gestikulierend aus, als stünde er auf einer Tribüne. »Ich habe immer gedacht, daß das Regime sich den neuen Zeiten öffnen müßte. Nun, da der Chef nicht mehr da ist, gibt es niemand Besseren als Sie, um das dominikanische Schiff durch den Sturm zu steuern und es in den Hafen der Demokratie zu bringen. Rechnen Sie mit mir als Ihrem treuesten und eifrigsten Mitarbeiter.«
Er war es in der Tat. Er brachte im Kongreß den Antrag ein, mit dem General Ramfis Trujillo die höchsten militärischen Vollmachten und die oberste Befehlsgewalt in allen militärischen und polizeilichen Angelegenheiten der Republik übertragen wurde, und instruierte Abgeordnete und Senatoren über die neue Politik des Präsidenten, die nicht etwa das Ziel habe, die Vergangenheit zu leugnen oder die Ära Trujillo zu verwerfen, sondern vielmehr, sie dialektisch zu überwinden und den neuen Zeiten anzupassen, so daß Quisqueya, in dem Maße wie es – ohne einen Schritt rückwärts – seine Demokratie vervollkommnete, von seinen amerikanischen Bruderländern erneut in der OAS willkommen geheißen und nach der Aufhebung der Sanktionen wieder in die internationale Gemeinschaft aufgenommen würde. Bei einem seiner zahlreichen Arbeitstreffen mit Präsident Balaguer fragte der Senator Chirinos nicht ohne eine gewisse Besorgnis nach den Plänen, die Seine Exzellenz in bezug auf den ehemaligen Senator Agustín Cabral habe.
»Ich habe angeordnet, daß man seine eingefrorenen Bankkonten freigibt und daß seine dem Staat geleisteten Dienste anerkannt werden, so daß er eine Pension erhalten kann«, informierte ihn Balaguer. »Seine Rückkehr in die Politik erscheint im Augenblick nicht opportun.« »Wir sind völlig einer Meinung«, stimmte der Senator zu. »Cerebrito, mit dem mich eine langjährige Beziehung verbindet, weckt Widerspruch und Feindschaften.« »Der Staat kann sein Talent nutzen, vorausgesetzt, er spielt keine zu große Rolle«, fügte der Mandatar hinzu. »Ich habe ihm den Posten eines Rechtsberaters in der Verwaltung angeboten.«
»Eine kluge Entscheidung«, stimmte Chirinos abermals zu. »Agustín war immer ein sehr guter juristischer Kopf.« Es waren nicht mehr als fünf Wochen seit dem Tod des Generalissimus vergangen, und die Veränderungen waren beträchtlich. Joaquín Balaguer konnte sich nicht beklagen: In dieser kurzen Zeit war aus ihm, dem Marionettenpräsidenten, dem
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