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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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äußerst merkwürdig, daß sie im Kolonialviertel herumfuhren, genauso wie der Umstand, daß Manuel Alfonso sich für ein Fest beim Generalissimus gekleidet hatte, als würde er zur Pferderennbahn oder in den Country Club gehen, aber Urania stellte dem Botschafter keine Frage. Begann sie zu argwöhnen, daß ihr Vater und er ihr ein Märchen erzählt hatten? Sie verharrte stumm, hörte nur mit halbem Ohr der schaurigen, kaputten Stimme Manuel Alfonsos zu, der ihr von der Krönungsfeier Königin Elisabeths II. in London erzählte, bei der er und Angelita Trujillo (»damals ein Mädchen so wunderhübsch wie du«) den Wohltäter des Vaterlandes vertreten hatten. Sie konzentrierte sich lieber auf die uralten Häuser mit ihren weit geöffneten Fenstern, die ihr Inneres sehen ließen, und die Familien, die sich auf den Straßen drängten – alte Männer und Frauen, junge Leute, Kinder, Hunde, Katzen und sogar Papageien und Kanarienvögel –, um nach dem glühendheißen Tag die kühle Abendluft zu genießen, und plaudernd in Schaukelstühlen, auf Hockern und Bänken oder auf den Türschwellen oder den Bordsteinen der hohen Bürgersteige saßen und die alten Straßen der Hauptstadt in eine riesige Plauschrunde, einen Freizeitklub oder ein Volksfest verwandelten, mit Ausnahme der Dominospieler, die – immer Männer, immer in reifem Alter – in einer Welt für sich wie festgeschraubt zu zweit oder zu viert an ihren von Öllampen oder Bunsenbrennern erhellten Tischen saßen. Es war ein richtiges Schauspiel, das Urania, ebenso wie die fröhlichen, ständig von Käufern wimmelnden Lebensmittelgeschäfte mit ihren Theken und Regalen aus weiß angemaltem Holz, die überquollen vor Dosen, CartaDorada-, Jacas- und Cidra-de-Bermúdez-Flaschen und farbigen Schachteln, in lebhafter Erinnerung behalten sollte, etwas, das im heutigen Santo Domingo vielleicht verschwunden oder im Verschwinden begriffen war oder nur noch in diesem Straßengeviert existieren mochte, in dem vor Jahrhunderten ein Trupp aus Europa gekommener Abenteurer die erste christliche Stadt der Neuen Welt mit dem wohlklingenden Namen Santo Domingo de Guzmán gegründet hatte. Der letzte Abend, an dem du dieses Schauspiel sehen solltest, Urania.
    »Kaum waren wir auf der Landstraße, vielleicht gerade an der Stelle, wo sie zwei Wochen später Trujillo umbrachten, fing Manuel Alfonso an…« Ein Anflug von Ekel unterbricht Urania in ihrer Erzählung.
    »Was willst du sagen?« fragt Lucindita nach kurzem Schweigen. »Fing er was an?«
    »Mich vorzubereiten.« Urania faßt sich wieder. »Mich weichzumachen, mich zu erschrecken, mich zu betören. Wie die Bräute von Moloch, die man wie Prinzessinnen verwöhnte und kleidete, bevor man sie durch das Maul des Ungeheuers ins Feuer warf.«
    »Du hast Trujillo also nie kennengelernt, hast nie mit ihm gesprochen!« rief Manuel Alfonso vergnügt aus. »Die Erfahrung deines Lebens, Mädchen!« Sie sollte es sein. Der Wagen fuhr in Richtung San Cristóbal, unter einem bestirnten Himmel, zwischen Kokospalmen und weißen Palmen, am Ufer des karibischen Meeres, das sich tosend an den Felsen brach. »Aber was hat er dir gesagt«, ermuntert sie Manolita, weil Urania verstummt ist.
    Er beschrieb ihr, was für ein tadelloser Gentleman der Generalissimus in seinem Umgang mit den Damen war. Er, so streng in militärischen und in Regierungsfragen, hatte das Sprichwort »Gehst du zur Frau, vergiß die Rose nicht« zu seiner Devise gemacht. So behandelte er immer die schönen Mädchen.
    »Was hast du für ein Glück, mein kleines Mädchen.« Er versuchte sie mit seiner Begeisterung anzustecken, mit dieser erregten Rührung, die ihn noch mehr am Sprechen hinderte. »Trujillo, der dich persönlich in sein Mahagonihaus einlädt. Was für ein Privileg! Deine Vorgängerinnen lassen sich an einer
    Hand abzählen. Wenn ich dir das sage, Mädchen, kannt du es mir glauben.«
    Und dann stellte Urania ihm die erste und letzte Frage dieses Abends:
    »Wer ist noch zu diesem Fest eingeladen?« Sie schaut ihre Tante Adelina, Lucindita und Manolita an. »Um zu sehen, was er antwortete. Ich wußte schon, daß wir nicht zu einem Fest fuhren.«
    Die lässige männliche Gestalt wandte sich ihr zu, und Urania sah den Glanz in den Pupillen des Botschafters. »Niemand sonst. Es ist ein Fest für dich. Für dich ganz allein! Kannst du dir das vorstellen? Begreifst du? Hab ich dir nicht gesagt, daß es etwas ganz Einzigartiges ist? Du hast das große Los gezogen,

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