Das Fest des Ziegenbocks
an etwas, das sie gesagt hatten. »Werden sie ihn dort begraben?«
»Sie werden ihn ins Meer werfen«, erklärte der Chef des SIM. »Das ist der Vorteil dieser Klippen. Hoch und messerscharf. Unten ist eine Einbuchtung, sehr tief, wie ein Brunnen. Voller Haie und Haiweibchen, die da warten. Sie verschlingen ihn in Sekunden, das muß man gesehen haben. Sie hinterlassen keine Spur. Sicher, rasch, und sauber ist es auch.«
»Würdest du diese Klippe wiedererkennen?« fragte Salvador.
Nein. Er erinnerte sich nur, daß sie, bevor sie ihr Ziel erreichten, nah an dieser kleinen Bucht, La Caleta, vorbeigefahren waren. Aber die ganze Fahrt, ab der Cuarenta, könnte er nicht rekonstruieren. »Ich werde dir ein Schlafmittel geben.« Salvador legte ihm erneut die Hand auf das Knie. »Mit dem du sechs, acht Stunden schlafen wirst.«
»Ich bin noch nicht fertig, Türke. Noch ein wenig Geduld. Damit du mir ins Gesicht spucken und mich aus dem Haus werfen kannst.«
Sie waren in das Bordell von Pucha Vittini gegangen, ein altes Haus mit Baikonen und einem verdorrten Garten, ein Bordell, das von caliés besucht wurde, von Leuten, die mit der Regierung und dem SIM verbunden waren, für den, so die Gerüchte, auch diese sympathische Alte mit derbem Mundwerk namens Pucha arbeitete, die in der Hierarchie ihres Gewerbes zur Verwalterin und Regentin von Huren aufgestiegen war, nachdem sie selbst dieses Metier seit sehr jungen Jahren und mit Erfolg in den Bordellen der Galle Dos ausgeübt hatte. Sie empfing sie an der Tür und begrüßte Johnny Abbes und Major Figueroa Carrión wie alte Freunde. Sie faßte Amadito unters Kinn: »Was für ein hübscher Junge!« Dann führte sie die drei in den zweiten Stock und ließ sie an einem kleinen Tisch neben der Bar Platz nehmen. Johnny Abbes bestellte Juanito Caminante. »Es hat eine Weile gedauert, bis ich kapiert habe, daß es der Whisky ist, Herr Oberst«, gestand Amadito. »Johnny Walker. Juanito Caminante. So einfach, und ich habe es nicht verstanden.«
»Das ist besser als jeder Psychiater«, sagte der Oberst. »Ohne Juanito Caminante würde ich mein inneres Gleichgewicht nicht aufrechterhalten, das Wichtigste bei meiner Arbeit. Wenn man sie gut machen will, braucht man Gelassenheit, kaltes Blut und eiskalte Eier. Man darf nie die Gefühle mit dem Denken vermischen.« Es waren noch keine Kunden da, außer einem kleinen Kahlkopf mit Brille, der an der Theke saß und ein Bier trank. Der Musikautomat spielte einen Bolero, und Amadito erkannte die schwere Stimme von Tona la Negra. Major Figueroa Carrión erhob sich und forderte eine der Frauen zum Tanzen auf, die in einer Ecke, unter dem großen Plakat eines mexikanischen Films mit Libertad Lamarque und Tito Guizar, miteinander tuschelten. »Sie haben gute Nerven«, sagte Oberst Abbes García anerkennend. »Nicht alle Offiziere sind so. Ich habe viele Eisenfresser erlebt, die im kritischen Augenblick versagten. Ich habe erlebt, wie sie sich aus Angst in die Hosen schissen. Man braucht nämlich mehr Schneid zum Töten als zum Sterben, auch wenn niemand das glaubt.« Er schenkte die Gläser voll und sagte: »Prost!« Amadito trank gierig. Wie viele Gläser? Drei, fünf, bald verlor er das Gefühl für Zeit und Ort. Er trank nicht nur, er tanzte auch, mit einer Indianerin, die er streichelte und in ein kleines Zimmer schleppte, das von einer mit rotem Zellophanpapier bedeckten Glühbirne erleuchtet wurde, die über einem Bett mit einer bunten Decke baumelte. Er konnte das Mädchen nicht nehmen. »Ich bin zu besoffen, mamacita« , entschuldigte er sich. Der wahre Grund war der Knoten im Magen, die Erinnerung an das, was er gerade getan hatte. Schließlich sammelte er allen Mut, um dem Oberst und dem Major zu sagen, daß er gehen wolle, er fühle sich hundeelend durch den vielen Alkohol. Die drei gingen durch den Ausgang. Dort stand der schwarze gepanzerte Cadillac, mit Chauffeur, und wartete auf Johnny Abbes; daneben ein Jeep mit einer Eskorte bewaffneter Leibwächter. Der Oberst gab ihm die Hand. »Liegt Ihnen nicht daran, zu wissen, wer dieser Typ war?« »Ich will es lieber nicht wissen, Herr Oberst.« Das aufgedunsene Gesicht von Abbes García verzog sich zu einem ironischen Grinsen, während er es mit seinem feuerfarbenen Taschentuch abtrocknete: »Wie einfach wäre es, wenn man diese Dinge tun würde, ohne zu wissen, um wen es sich handelt. Kommen Sie mir nicht so, Leutnant. Wenn jemand ins Wasser springt, muß er naß werden. Es war einer
Weitere Kostenlose Bücher