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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Gesicht
    gemacht!«
    Als hätte man ihm den Tod eines geliebten Menschen mitgeteilt. Als hätte man Krebs bei ihm diagnostiziert. Rot, bleich, rot. Und seine Augen, die wieder und wieder über das Gesicht des Mädchens glitten. Wie es ihr erklären? Wie sie vor der Gefahr warnen, in der sich die Familie befand? Die kleinen Augen des Invaliden wollen sich öffnen, runden.
    »Mein Kleines, es gibt Dinge, die du nicht wissen kannst, die du noch nicht begreifst. Ich bin da, um sie für dich zu wissen, um dich zu beschützen. Du bist mir das Liebste auf der Welt. Frag mich nicht, warum, aber du mußt das vergessen. Du warst nicht bei Froilán. Du hast auch seine Frau nicht gesehen. Und den, von dem du geträumt hast, am allerwenigsten. Zu deinem Besten, mein Kleines. Und zu meinem. Sag es nicht weiter, erzähl es nicht. Versprichst du mir das? Nie? Niemandem? Schwörst du es mir?« »Ich habe es dir geschworen«, sagt Urania. »Aber nicht einmal da habe ich irgendwas geahnt. Auch nicht, als du den Hausangestellten gedroht hast, sie würden ihre Arbeit verlieren, wenn sie die Spinnereien des Mädchens weitererzählten. So unschuldig war ich. Als ich begriff, wozu der Generalissimus ihre Frauen besuchte, konnten die Minister nicht mehr tun, was Henríquez Urena getan hatte. Sie mußten sich mit ihren Hörnern abfinden, wie Don Froilán. Und da es keine Alternative gab, Nutzen daraus ziehen. Hast du es getan? Hat der Chef meine Mama besucht? Bevor ich geboren wurde? Als ich zu klein war, um mich daran zu erinnern? Er tat es, wenn die Ehefrauen schön waren. Meine Mama war es, nicht? Ich kann mich nicht erinnern, daß er gekommen wäre, aber er könnte vorher gekommen sein. Was hat meine Mama gemacht? Hat sie sich damit abgefunden? Hat sie sich gefreut, stolz auf diese Ehre? Das war die Regel, nicht wahr? Die guten Dominikanerinnen waren dankbar dafür, daß der Chef sich herabließ, sie zu vögeln. Findest du das vulgär? Aber das war doch das Wort, das dein lieber Chef benutzte.« Ja, dieses Wort. Urania weiß es, sie hat es in ihrer umfang reichen Bibliothek über die Ära gelesen. Trujillo, der so sorgfältig, raffiniert, elegant im Reden war – ein Schlangenbeschwörer, wenn er wollte – , konnte abends, nach ein paar Gläsern spanischen Brandys Carlos L, plötzlich die schmutzigsten Wörter von sich geben, reden, wie man in einer Zuckermühle, unter Landarbeitern, unter den Stauern des Hafens am Ozama, in den Sportstadien oder in den Bordellen redet, reden wie die Männer, wenn sie das Bedürfnis haben, sich männlicher zu fühlen, als sie sind. Bisweilen konnte der Chef ungeheuer vulgär sein und sich in den unpassendsten Kraftausdrücken seiner Jugend ergehen, als er noch Hazienda-Aufseher in San Cristóbal war oder der Konstablerwache angehörte. Seine Höflinge applaudierten dann mit der gleichen Begeisterung wie bei den Reden, die der Senator Cabral und der Flüssige Verfassungsrechtler für ihn schrieben. Er prahlte mit »den Weibern, die er gevögelt hatte«, und auch das beklatschten die Höflinge, selbst wenn es sie zu potentiellen Feinden von Doña Maria Martínez machte, der Vortrefflichen Dame, und selbst wenn diese Weiber ihre Ehefrauen, Schwestern, Mütter oder Töchter waren. Die Geschichte war keine Übertreibung, die der überhitzten dominikanischen Phantasie entsprungen war, die Tugenden und Laster maßlos vergrößert und reale Vorkommnisse so lange potenziert, bis sie phantastisch werden. Es gab zwar Geschichten, die erfunden, ausgeschmückt, gefärbt waren von der Lust ihrer Landsleute am Schaurigen. Aber die von Barahona mußte stimmen. Die hat Urania nicht gelesen, sie hat sie (mit Übelkeitsgefühlen) von jemandem gehört, der dem Wohltäter immer nahe, sehr nahe gewesen war. »Der Flüssige Verfassungsrechtler, Papa. Ja, der Senator Henry Chirinos, der Judas, der dich verraten hat. Aus seinem dreckigen Mund habe ich sie erfahren. Erstaunt es dich, daß ich mit ihm zusammengetroffen bin? Es blieb mir nichts anderes übrig, als Angestellte der Weltbank. Der Direktor bat mich, ihn beim Empfang unseres Botschafters zu vertreten. Besser gesagt, des Botschafters von Präsident Balaguer. Der demokratischen, zivilen Regierung des Präsidenten Balaguer. Chirinos hat es besser gemacht als du, Papa. Er hat dich aus dem Weg geräumt, er ist nie bei Trujillo in Ungnade gefallen, und am Ende hat er eine Kehrtwendung gemacht und sich mit der Demokratie arrangiert, obwohl er genauso trujillistisch war wie du.

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