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Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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So trat er auf, in Washington, häßlicher denn je, aufgebläht wie eine Kröte, kümmerte sich um die Gäste und trank wie ein Schwamm. Und erlaubte sich den Luxus, die Tischgäste mit Anekdoten über die Ära Trujillo zu unterhalten. Er!« Der Invalide hat die Augen geschlossen. Ist er eingeschlafen? Sein Kopf liegt auf der Rückenlehne, und der kleine runzlige, leere Mund steht offen. So wirkt er dünner und verletzlicher; zwischen den Aufschlägen des Morgenmantels erscheint ein Stück unbehaarte Brust mit weißlicher Haut, unter der sich die Knochen abzeichnen. Er atmet regelmäßig. Erst jetzt bemerkt sie, daß ihr Vater keine Strümpfe trägt; seine Füße und Knöchel sind die eines Kindes.
    Er hat sie nicht wiedererkannt. Wie hätte er auf den Gedanken kommen können, daß diese Angestellte der Weltbank, die ihm auf englisch den Gruß des Direktors übermittelt, die Tochter seines ehemaligen Kollegen und Kumpels Cerebrito Cabral ist? Urania bleibt nach der protokollarischen Begrüßung auf Distanz zum Botschafter, wechselt banale Worte mit Leuten, die wie sie aus offiziellen Gründen dort sind. Nach einer Weile wendet sie sich zum Gehen. Sie tritt zu der Runde, die dem Botschafter der Demokratie lauscht, aber was dieser erzählt, hält sie zurück. Der Botschafter Chirinos – aschfarbene, pokkennarbige Haut, Zähne eines apoplektischen Raubtiers, Dreifachkinn, elefantöser Bauch, der den blauen Anzug sprengen zu wollen scheint, gemusterte Weste und rote Krawatte, die ihn einschnürt – sagt, die Geschichte sei in Barahona passiert, in der Schlußphase, als Trujillo, großsprecherisch, wie er manchmal gerne war, ankündigte, er werde nach seinem Rückzug aus der Regierung (er hatte seinen Bruder Héctor Bienvenido alias Negro zum Marionettenpräsidenten gemacht), um ein Beispiel zu geben und die dominikanische Demokratie zu stärken, für den Posten nicht des Präsidenten, sondern eines obskuren Provinzgouverneurs kandidieren. Und zwar als Kandidat der Opposition!
    Der Botschafter der Demokratie schnauft, holt Luft, beobachtet mit seinen kleinen, eng beieinander stehenden Augen die Wirkung seiner Worte. »Begreifen Sie, meine Herrschaften«, sagt er ironisch: »Trujillo, Kandidat der Opposition seines eigenes Regimes!« Er lächelt und berichtet weiter, daß Don Froilán Arala, eine der rechten Hände des Generalissimus, in
    diesem Wahlkampf eine Rede gehalten habe, in der er den Chef aufforderte, nicht für den Gouverneursposten, sondern für das zu kandidieren, was er im Herzen des dominikanischen Volkes unverändert war: Präsident der Republik. Alle glaubten, Don Froilán folge Anweisungen des Chefs. So war es nicht. Oder zumindest – der Botschafter Chririnos trinkt den letzten Schluck Whisky mit einem bösen Glanz in den Augen – war es an jenem Abend nicht mehr so, denn es konnte auch sein, daß Don Froilán getan hatte, was der Chef befohlen hatte, und daß dieser die Meinung geändert und beschlossen hatte, die Farce ein paar Tage länger dauern zu lassen. So machte er es manchmal, auch wenn er seine talentiertesten Mitarbeiter damit der Lächerlichkeit preisgab. Don Froilán Aralas Kopf mochte ein barockes Gehörn zieren, aber auch ein vortreffliches Gehirn. Der Chef bestrafte ihn für diese hagiographische Rede, wie er es zu tun pflegte: indem er ihn dort demütigte, wo es ihm am meisten schmerzen konnte, in seiner männlichen Ehre.
    Die ganze lokale Gesellschaft fand sich bei dem Empfang ein, den die Führung der Dominikanischen Partei von Barahona im Klub für den Chef gab. Man tanzte und trank. Plötzlich erklärte der ziemlich angeheiterte Chef zu später Stunde vor einer großen männlichen Zuhörerschaft – Militärs der örtlichen Garnison, Minister, Senatoren und Abgeordnete, die ihn bei der Rundreise begleiteten, Gouverneure und Parteiführer – , die er mit Erinnerungen an seine erste politische Rundreise drei Jahrzehnte zuvor unterhalten hatte, wobei der sentimentale, wehmütige Blick in seinen Augen lag, den er am Ende eines Festes oft unvermittelt aufsetzte, als gäbe er einer Anwandlung von Schwäche nach:
    »Ich bin ein Mann, der sehr geliebt wurde. Ein Mann, der die schönsten Frauen dieses Landes in seinen Armen gehalten hat. Sie haben mir die Kraft gegeben, es in Ordnung zu bringen. Ohne sie hätte ich nie tun können, was ich getan habe.« (Er hob sein Glas ins Licht, prüfte die Flüssigkeit, stellte ihre Durchsichtigkeit, ihre klare Farbe fest.) »Wissen Sie, welche die

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