Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Fest des Ziegenbocks

Das Fest des Ziegenbocks

Titel: Das Fest des Ziegenbocks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
Vom Netzwerk:
zum Mahagonihaus fahren.«
    Vor zwei Monaten hatte er plötzlich angeordnet, die Sicherheitsmaßnahmen auszusetzen. Warum? Vielleicht weil er bei einem seiner Spaziergänge in der Abenddämmerung, als er die Máximo Gómez in Richtung Meer hinunterging, an allen Straßenmündungen Polizeisperren bemerkt hatte, die Fußgängern und Autos den Zugang zur Avenida und zur Uferpromenade verwehrten, solange sein Spaziergang dauerte. Und er hatte sich die Myriade von Volkswagen mit caliés vorgestellt, die Johnny Abbes überall in der Umgebung postiert hatte. Er fühlte Bedrückung, Klaustrophobie. So war es ihm auch eines Abends ergangen, als er zur Hacienda Fundación fuhr und auf der ganzen Strecke die »Wannen« mit den Spitzeln und die militärischen Absperrungen sah, die seine Durchfahrt schützten. Oder war es die Faszination, die die Gefahr immer auf ihn ausgeübt hatte – der ungezähmte Geist des manne –, die ihn im Augenblick größter Bedrohung für das Regime das Schicksal in dieser Weise herausfordern ließ? Jedenfalls war es eine Entscheidung, die er nicht rückgängig machen würde.
    »Der Befehl bleibt bestehen«, wiederholte er in einem Ton,
der keine Widerrede erlaubte.
»Gut, Exzellenz.«
    Er schaute dem Oberst in die Augen – dieser senkte sofort den Blick – und warf ihm mit einem Funken Humor hin: »Glauben Sie, daß Ihr bewunderter Fidel Castro wie ich ohne Schutz durch die Straßen geht?« Der Oberst schüttelte den Kopf.
    »Ich glaube nicht, daß Fidel Castro so romantisch ist wie Sie, Exzellenz.«
    Romantisch, er? Vielleicht bei einigen der Frauen, die er geliebt hatte, vielleicht bei Lina Lovatón. Aber außerhalb des Gefühlsbereichs, im Bereich der Politik, hatte er sich immer als Klassiker gefühlt. Rational, gelassen, pragmatisch, mit kühlem Kopf und einer langfristigen Vision.
    »Als ich ihn kennenlernte, in Mexiko, bereitete er gerade die Expedition der Granma vor. Man hielt ihn für einen verrückten Kubaner, einen unseriösen Abenteurer. Was mich vom ersten Augenblick an beeindruckte, war seine völlige Emotionslosigkeit. Obwohl er bei seinen Reden tropisch, überschäumend, leidenschaftlich wirkt. Das ist für die Öffentlichkeit. Er ist das Gegenteil. Eine eisige Intelligenz. Ich wußte immer, daß er an die Macht gelangen würde. Aber erlauben Sie mir eine Klarstellung, Exzellenz. Ich bewundere die Persönlichkeit Castros, wie er es vermocht hat, die Gringos auszutricksen, sich mit den Russen und den kommunistischen Ländern zu verbünden und sie als Puffer gegen Washington zu benutzen. Ich bewundere nicht seine Idee, ich bin kein Kommunist.« »Sie sind ein vollendeter Kapitalist«, sagte Trujillo spöttisch, mit einem sardonischen kleinen Lachen. »Ultramar hat sehr gute Geschäfte gemacht mit dem Import von Produkten aus Deutschland, Österreich und den sozialistischen Ländern. Exklusivvertretungen lohnen sich.« »Noch etwas, für das ich Ihnen danken muß, Exzellenz«, räumte der Oberst ein. »Um die Wahrheit zu sagen, mir wäre das nicht eingefallen. Geschäfte haben mich nie interessiert. Ich habe Ultramar aufgemacht, weil Sie es mir befohlen haben.«
    »Mir ist lieber, meine Mitarbeiter machen gute Geschäfte, als daß sie stehlen«, erklärte der Wohltäter. »Gute Geschäfte nützen dem Land, geben Arbeit, erzeugen Reichtum, heben die Moral des Volkes. Diebstähle dagegen demoralisieren es. Ich
    stelle mir vor, daß die Dinge seit den Sanktionen auch bei Ultramar schlecht laufen.«
    »Es herrscht praktisch Stillstand. Es ist mir egal, Exzellenz. Jetzt sind die vierundzwanzig Stunden meines Tages der Aufgabe gewidmet, zu verhindern, daß die Feinde dieses Regime zerstören und Sie umbringen.« Er sprach ohne Emotion, mit derselben belegten, neutralen Stimme, mit der er immer sprach.
    »Muß ich daraus schließen, daß Sie mich genauso bewundern wie den Idioten Castro?« sagte Trujillo, während er die ausweichenden kleinen Augen suchte. »Sie bewundere ich nicht, Exzellenz«, murmelte Oberst Abbes mit gesenktem Blick. »Ich lebe für Sie. Für Sie. Wenn Sie erlauben, ich bin Ihr Wachhund.«
    Dem Wohltäter kam es vor, als habe Abbes García beim letzten Satz die Stimme gezittert. Er wußte, daß er nicht emotional war und daß er nicht zu den bei anderen Höflingen so häufigen Gefühlsausbrüchen neigte; daher musterte er ihn mit seinem messerscharfen Blick. »Wenn man mich umbringt, wird es einer tun, der mir sehr nahesteht, ein Verräter aus der Familie, sozusagen«,

Weitere Kostenlose Bücher