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Das Fest

Titel: Das Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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aromatisiertem Joghurt, den sie genossen wie eine letzte Mahlzeit. Luther hatte sieben Pfund abgenommen, Nora sechs.
    * * *
    Sie fuhren in einem Kleintransporter durch das Viertel, stets auf der Suche nach lohnenden Zielen. Zehn von ihnen hatten es sich auf der Ladefläche inmitten von Heuballen bequem gemacht und sangen unterwegs. Unter den Quilts wurden Händchen gehalten und Oberschenkel befummelt, ein eher harmloses Vergnügen. Schließlich gehörten sie der Lutherischen Gemeinde an.
    Die Anführerin der Gruppe saß am Steuer, und auf dem Beifahrersitz hatte die Frau des Pfarrers Platz genommen, die sonntags morgens auch immer Orgel spielte.
    Der Laster bog in die Hemlock Street ein, und das Zielobjekt war schnell ausgemacht. Langsam näherte er sich dem ungeschmückten Haus der Kranks. Glücklicherweise stand Walt Scheel gerade in seinem Vorgarten und kämpfte mit einem Verlängerungskabel, das ungefähr zwei Meter fünfzig zu kurz war, um von der Garage bis zu seinen Buchsbäumen zu reichen, die er sorgfältig mit vierhundert neuen, grünen Lichtern versehen hatte. Da Krank überhaupt nicht dekorierte, hatte Scheel beschlossen, sich noch ein wenig mehr ins Zeug zu legen.
    »Sind diese Leute da zu Hause?«, erkundigte sich die Fahrerin bei Walt, nachdem der Transporter zum Stehen gekommen war. Dabei nickte sie in Richtung des Hauses der Kranks.
    »Ja. Wieso?«
    »Oh, wir sind mit einer Jugendgruppe der Lutherischen Gemeinde als Weihnachtssänger unterwegs.«
    Auf einmal begann Walt zu lächeln und ließ das Kabel sinken. Wie reizend, dachte er. Und Krank glaubt, dass er einfach so vor Weihnachten davonlaufen kann.
    »Sind die Leute Juden?«, wollte die Frau wissen.
    »Nein.«
    »Buddhisten oder etwas in der Art?«
    »Nein, nichts dergleichen. Methodisten, soweit ich weiß. Sie wollen dieses Jahr kein Weihnachten feiern.«
    »Wie bitte?«
    »Sie haben schon richtig gehört.« Walt stellte sich neben die Fahrertür und strahlte über das ganze Gesicht. »Der Herr des Hauses ist ein bisschen seltsam. Er will Weihnachten ausfallen lassen und von dem gesparten Geld eine Kreuzfahrt machen.«
    Die Fahrerin und die Frau des Pfarrers warfen einen langen, eindringlichen Blick hinüber zum Haus der Kranks. Die Jugendlichen auf der Ladefläche hatten aufgehört zu singen und lauschten jedem Wort. In ihren Köpfen begann es zu mahlen.
    »Ich glaube, denen würden ein paar Weihnachtslieder gut tun«, fügte Scheel liebenswürdig hinzu. »Na los!«
    Der Laster leerte sich, und die Chormitglieder stürmten den Bürgersteig entlang. Vor dem Briefkasten der Kranks blieben sie stehen. »Geht ruhig näher ran.«, schrie Scheel. »Das macht denen bestimmt nichts aus.«
    Die jungen Leute nahmen vor dem Haus Aufstellung, direkt neben Luthers Lieblingsbeet. Scheel rannte unterdessen zu seiner Veranda und rief Bev zu, sie solle Frohmeyer anrufen.
    Als der Krawall losbrach, kratzte Luther gerade das letzte bisschen Joghurt aus seinem Becher. Die Weihnachtssänger stimmten schnell und laut die erste Strophe von »God Rest Ye Merry Gentlemen« an, worauf die Kranks sofort in Deckung gingen und dann geduckt von der Küche ins Wohnzimmer hechteten, Luther voran, Nora als Nachhut. Sie postierten sich am Fenster, dessen Vorhänge zum Glück zugezogen waren.
    Doch die Chormitglieder entdeckten Luther, als er einen verstohlenen Blick riskierte, und winkten aufgeregt.
    »Weihnachtssänger«, zischte Luther und trat einen Schritt zurück. »Direkt neben unserem Wacholder.«
    »Wie schön«, sagte Nora leise.
    »Schön? Die haben einfach unbefugt unser Grundstück betreten! Das ist eine abgekartete Sache.«
    »Sie sind doch keine Eindringlinge!«
    »Aber selbstverständlich! Sie stehen vor unserem Haus, ohne dass wir sie eingeladen haben. Jemand hat sie hergeschickt, wahrscheinlich Frohmeyer oder Scheel.«
    »Weihnachtssänger sind keine Eindringlinge«, beharrte Nora im Flüsterton.
    »Ich weiß, wovon ich rede.«
    »Dann ruf doch deine Freunde vom Polizeirevier an.«
    »Vielleicht mache ich das auch«, überlegte Luther laut und spähte wieder nach draußen.
    »Es ist noch nicht zu spät, einen Kalender zu kaufen.«
    Unterdessen kam der gesamte Frohmeyer-Klan angerannt, angeführt von Spike auf seinem Skateboard. Kaum hatten sich die acht hinter dem Chor aufgebaut, da lockte der Lärm auch die Trogdons aus dem Haus. Es folgten die Beckers mit der Schwiegermutter im Schlepptau. Selbst Rocky der Schulversager zockelte hinterdrein.
    Als Nächstes

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