Das Fest
Teil der Kosten für diese löblichen Projekte zu decken, hatte der Verband auch diesmal wieder einen schönen Kalender für das nächste Jahr zusammengestellt, abermals mit Fotos, die Mitglieder beim Dienst am Bürger zeigten. Genau aufs Stichwort zückte Treen den Kalender, rollte ihn auseinander und blätterte die großformatigen Seiten um, während Salino kommentierte. Auf dem Bild für Januar war ein Verkehrspolizist zu sehen, der milde lächelnd Kindergartenkinder über die Straße winkte. Im Februar half ein Autobahnpolizist, der sogar noch massiger war als Treen, einem liegen gebliebenen Autofahrer beim Reifenwechsel. Irgendwie hatte auch er es während seiner Mühen geschafft, den Mund zu einem Lächeln zu verziehen. Das Märzblatt zeigte einen nächtlichen Unfall mit viel Blaulicht und drei Beamten, die sich stirnrunzelnd miteinander berieten.
Die Monate rauschten vorbei. Luther betrachtete die Fotos und die Aufmachung ohne ein Wort.
Wo sind die Tangas mit Leopardenmuster?, wollte er fragen. Und der dampfende Saunaraum? Und der Rettungsschwimmer, der nur ein Handtuch um die Hüfte trägt? Drei Jahre zuvor war der Verband dem Zeitgeschmack erlegen und hatte einen Kalender mit Aufnahmen seiner jüngeren und schlankeren Mitglieder herausgebracht, die alle so gut wie nackt posierten. Fünfzig Prozent der jungen Männer grinsten dämlich in die Kamera, die andere Hälfte bemühte sich um jenen gequälten Blick, der in der Modewelt gerade in war und besagen sollte: »Ich hasse es, Dressman zu sein.« Die Behörden stuften den Kalender praktisch als Pornografie ein, worauf ein großer Bericht auf den Titelseiten der örtlichen Zeitungen erschien.
Über Nacht brach damals ein beachtlicher Aufruhr aus. Der Bürgermeister wütete angesichts der Flut von Beschwerden, die im Rathaus eingingen. Der Vorsitzende des Polizeiverbands wurde gefeuert. Die noch nicht verkauften Kalender wurden eingezogen und verbrannt, eine Aktion, die der Lokalsender live übertrug.
Nora bewahrte ihr Exemplar im Keller auf und erfreute sich heimlich das ganze Jahr über daran.
Der Muskelprotz-Kalender wurde zu einem finanziellen Desaster für alle Beteiligten, aber er schürte das allgemeine Interesse. Im Jahr darauf verdoppelten sich die Verkaufszahlen beinahe.
Luther kaufte jedes Jahr ein Exemplar, aber nur, weil es von ihm erwartet wurde. Seltsamerweise gab es nirgendwo ein Preisschild, zumindest nicht an denjenigen Kalendern, die von Polizisten wie Salino und Treen persönlich überbracht wurden. Für den persönlichen Touch musste man tiefer in die Tasche greifen, und von Bürgern wie Luther wurde als zusätzliches Zeichen ihres guten Willens einfach erwartet, dass sie mehr Geld locker machten. So war es schon immer gewesen. Es war diese Art von Nötigung, von offenkundiger Bestechung, die Luther verabscheute. Im letzten Jahr hatte er dem Polizeiverband einen Scheck in Höhe von hundert Dollar ausgestellt. Aber nicht dieses Jahr.
Nachdem die Darbietung vorüber war, straffte sich Luther und sagte: »Ich brauche keinen Kalender.« Salino legte den Kopf schief und tat so, als habe er sich verhört. Treens dicker Hals schwoll noch weiter an.
Salinos Gesicht verzog sich zu einem süffisanten Grinsen. Mag sein, dass du keinen brauchst, sagte dieses Grinsen. Kaufen wirst du ihn trotzdem. »Und wie kommt das?«, fragte er.
»Ich habe schon genug Kalender für nächstes Jahr.« Das war Nora vollkommen neu. Sie stand hinter der Küchentür, knabberte an ihren Fingernägeln und hielt den Atem an.
»Aber keinen wie den«, grunzte Treen. Salino warf ihm einen Blick zu, der deutlich sagte: Halt die Klappe!
»Ich habe zwei Kalender in meinem Büro an der Wand und zwei auf meinem Schreibtisch«, verkündete Luther. »Einer hängt neben dem Telefon in der Küche. Meine Armbanduhr teilt mir jeden Tag das genaue Datum mit, genau wie mein Computer. Ich habe all die Jahre noch keinen einzigen Tag verpasst.«
»Das Geld kommt behinderten Kindern zugute, Mr. Krank«, bemerkte Salino, wobei seine Stimme auf einmal weich und gefühlvoll klang. Nora stiegen Tränen in die Augen.
»Wir spenden schon für behinderte Kinder, Officer Salino«, konterte Luther. »Durch den Wohlfahrtsverband, unsere Kirche und unsere Steuern unterstützen wir so viele Gruppen von Bedürftigen, wie Sie überhaupt nur aufzählen können.«
»Sie sind also nicht stolz auf Ihre Polizei?«, warf Treen in ruppigem Tonfall ein und plapperte damit fraglos einen Spruch nach, den
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