Das Fest
er Salino einmal bei jemand anderem hatte benutzen hören.
Luther hielt eine Sekunde lang inne, um seine Wut auszukosten. Als ob der Kauf eines Kalenders das einzige Maß war, mit dem sich sein Stolz auf die städtische Polizeitruppe messen ließ! Als ob er durch die Zahlung von Bestechungsgeld mitten in seinem Wohnzimmer bewies, dass er, Luther Krank, fest hinter den Jungs in Uniform stand!
»Ich habe im vergangenen Jahr dreizehnhundert Dollar Steuern gezahlt«, sagte er und richtete seine vor Ärger blitzenden Augen auf den jungen Treen. »Damit wurde zum Teil Ihr Gehalt finanziert. Und außerdem die Gehälter der Feuerwehrmänner, Krankenwagenfahrer, Lehrerinnen und Lehrer, Kanalarbeiter, Straßenkehrer, des Bürgermeisters und seines umfangreichen Stabs, der Richterinnen und Richter, Gerichtsvollzieher, Gefängniswärter, der Beamtinnen und Beamten im Rathaus und all der Beschäftigten drüben im Mercy Hospital. Sie alle leisten großartige Arbeit. Auch Sie leisten großartige Arbeit, Sir. Ich bin stolz auf alle Angestellten unserer Stadt. Aber was hat ein Kalender damit zu tun?«
Diese Frage war Treen natürlich noch nie präsentiert worden, daher hatte er keinerlei Erwiderung parat. Für Salino galt das Gleiche. Einen Augenblick lang herrschte angespanntes Schweigen.
Da Treen keine intelligente Antwort einfiel, wurde er ebenfalls sauer und beschloss, Kranks Nummernschild zu notieren und sich auf die Lauer zu legen. Vielleicht erwischte er ihn ja bei einer Geschwindigkeitsübertretung oder beim Überfahren eines Stoppschilds. Dann würde er ihn anhalten, bei der ersten sarkastischen Bemerkung aus dem Wagen zerren, quer über die Motorhaube werfen, ihm Handschellen verpassen und ihn zum Gefängnis schleifen.
Solcherlei angenehme Gedanken zauberten ein Lächeln auf Treens Gesicht. Salino jedoch lächelte kein bisschen. Er kannte die Geschichte von Luther Krank und seinem dämlichen Plan für Weihnachten. Frohmeyer hatte sie ihm erzählt. Salino war am Abend zuvor durch die Hemlock Street gefahren und hatte das gepflegte, aber ungeschmückte Haus gesehen, das ohne Frosty auf dem Dach irgendwie ganz für sich allein stand, friedlich und dennoch so merkwürdig anders als die anderen.
»Es tut mir Leid, dass Sie so darüber denken«, stellte Salino bedauernd fest. »Wir versuchen lediglich, ein wenig Geld aufzutreiben, um bedürftigen Kindern zu helfen.«
Nora wäre am liebsten durch die Tür gestürmt und hätte gerufen: »Hier haben Sie Ihren Scheck! Her mit dem Kalender!« Doch sie beherrschte sich, denn das Nachspiel wäre nicht sehr erfreulich geworden.
Luther biss die Zähne zusammen, starrte unbeirrt geradeaus und nickte, worauf Treen besann, den Kalender auf ziemlich theatralische Weise wieder einzurollen. Dann würde ihn eben jemand anderes kaufen. Unter dem Druck von Treens riesigen Pranken raschelte und knitterte der Kalender. Als er schließlich nur noch den Durchmesser eines Besenstiels hatte, ließ Treen ihn in die Rolle zurückgleiten und steckte eine Kappe auf das Ende. Die Zeremonie war vorbei, für die Polizisten war es Zeit zu gehen.
»Fröhliche Weihnachten«, sagte Salino.
»Sponsert die Polizei immer noch die Softball-Mannschaft für Waisen?«, erkundigte sich Luther. »Aber sicher«, erwiderte Treen. »Kommen Sie doch im Frühling einfach noch einmal vorbei, dann spende ich hundert Dollar für Trikots.«
Doch die Polizeibeamten ließen sich nicht durch diese Worte beschwichtigen. Sie brachten es nicht über sich, »Danke« zu sagen, sondern nickten nur und starrten einander an.
Der Weg zur Tür wurde in kühlem Schweigen zurückgelegt. Man hörte lediglich das entnervende Tappen, mit dem Treen das Kalenderrohr immer wieder gegen sein Bein klopfte. Wie ein gelangweilter Cop auf der Suche nach jemandem, dem er seinen Schlagstock über den Schädel ziehen kann.
Nora kehrte ins Wohnzimmer zurück und bemerkte scharf: »Es wären doch bloß hundert Dollar gewesen!« Luther spähte gerade an den Vorhängen vorbei, um sicherzugehen, dass die Beamten auch tatsächlich abzogen.
»Nein, meine Liebe, es wäre sehr viel mehr gewesen«, entgegnete er in selbstgefälligem Tonfall, als könne nur er die Komplexität der Situation voll erfassen. »Wie wäre es jetzt mit ein bisschen Joghurt?«
Wenn man hungert, verdrängt die Aussicht auf Nahrung alle anderen Gedanken. Als Belohnung für ihre Qualen gönnten Luther und Nora sich jeden Abend einen kleinen Becher mit fadem, fettfreiem, künstlich
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