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Das Fest

Titel: Das Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Dollar.«
    »Wieso nicht fünfzehn?«
    »Angebot und Nachfrage.«
    »Das ist Wucher.«
    »Es ist für die Pfadfinder.«
    »Ich gebe Ihnen fünfzig.«
    »Fünfundsiebzig. Nehmen Sie ihn oder lassen Sie's bleiben.«
    Luther bezahlte, und der Pfadfinder legte einen auseinander gefalteten Pappkarton auf das Dach von Luthers Lexus. Er und Scanion hievten den Baum auf den Wagen und banden ihn mit Seilen fest. Während Luther den beiden zusah, warf er alle zwei Minuten einen Blick auf seine Armbanduhr.
    Kaum war der Baum sicher vertäut, da begannen jede Menge Nadeln auf Motorhaube und Kofferraumdeckel zu rieseln. »Der Baum braucht Wasser«, erklärte der Pfadfinder.
    »Ich dachte, Sie würden Weihnachten gar nicht feiern«, bemerkte Scanion.
    »Frohes Fest«, brummte Luther schroff und stieg in sein Auto.
    »An Ihrer Stelle würde ich nicht zu schnell fahren.«
    »Wieso nicht?«
    »Die Nadeln sind schrecklich empfindlich.«
    Sobald Luther wieder auf der Straße war und im stockenden Verkehr mitkroch, rutschte er so tief wie möglich in seinen Sitz und blickte stur geradeaus. An einer Ampel hielt ein Getränkelaster neben ihm. Er hörte jemanden grölen, sah nach links oben und öffnete sein Fenster. Ein paar wüst aussehende Kerle starrten grinsend zu ihm herunter.
    »Hey, Kumpel, das ist der hässlichste Baum, den ich je gesehen habe!«, johlte der eine.
    »Du hättest ruhig ein bisschen mehr Geld ausgeben können, schließlich ist Weihnachten!«, rief der andere, worauf beide in brüllendes Gelächter ausbrachen.
    »Das Ding wird ja schneller kahl als ein Hund mit Räude!«, lautete der nächste Kommentar. Luther ließ das Fenster wieder hoch. Trotzdem konnte er sie noch lachen hören.
    Als er sich der Hemlock Street näherte, wurde sein Puls schneller. Mit ein wenig Glück würde er es vielleicht schaffen, ungesehen ins Haus zu kommen. Glück? Wie konnte er nur auf Glück hoffen?
    Aber er hatte tatsächlich Glück. Er raste an den Häusern seiner Nachbarn vorbei, nahm die Kurve zu seiner Auffahrt auf zwei Rädern und glitt in die Garage. All dies, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Luther sprang aus dem Wagen und zog an den Seilen. Dann hielt er inne und riss ungläubig die Augen auf. Der Baum war vollkommen nackt — außer krummen Ästen und Zweigen war nichts mehr von ihm übrig, auch nicht das kleinste Fitzelchen Grün. Die empfindlichen Nadeln, von denen Scanion geredet hatte, wehten zwischen dem Supermarkt und Hemlock Street im Wind.
    Es war ein erbärmlicher Anblick. Tot wie Treibholz lag der Baum auf der Pappe.
    Luther blickte sich um, suchte mit wirren Augen die Straße ab, riss dann den Baum vom Wagendach und zog ihn durch die rückwärtige Garagentür in den Hinterhof, wo ihn niemand sehen konnte. Er spielte mit dem Gedanken, ihn auf der Stelle mittels eines Streichholzes von seinem Elend zu erlösen, aber für eine solche Zeremonie blieb keine Zeit.
    Zum Glück war Nora bereits fort. Luther stapfte ins Haus und lief beinahe in eine Wand aus Kartons, die sie vom Dachboden geholt hatte und die sorgfältig beschriftet waren: neuer Baumschmuck, alter Baumschmuck, Lametta, Lichterketten für drinnen, Lichterketten für draußen. Alles in allem waren es neun Kartons, und es blieb nun Luther überlassen, sie auszupacken und mit ihrem Inhalt den Baum zu dekorieren. Es würde Tage dauern.
    Und welchen Baum?!
    Neben das Telefon hatte Nora einen Zettel an die Wand geheftet, mit den Namen von vier Ehepaaren, die er anrufen sollte. Sie waren alle sehr enge Freunde, die Art von Freunden, denen man alles beichten und sagen konnte: »Hört mal, wir sitzen in der Tinte. Blair ist auf dem Weg hierher. Bitte vergebt uns und kommt heute Abend zu unserer Party.«
    Er wollte sie später anrufen. Aber auf dem Zettel stand ausdrücklich, er solle es sofort tun. Also wählte er die Nummer von Gene und Annie Laird, den wohl ältesten Freunden, die sie in der Stadt hatten. Gene meldete sich und musste schreien, um den Krawall im Hintergrund zu übertönen. »Die Enkelkinder!«, erklärte er. »Alle vier. Ist auf dem Luxusdampfer vielleicht noch ein Plätzchen frei, alter Junge?«
    Luther biss die Zähne zusammen, schilderte kurz die Sachlage und sprach dann die Einladung aus. »Was für ein Mist!«, brüllte Gene. »Sie kommt heute noch nach Hause?«
    »Genau.«
    »Und bringt einen Peruaner mit?«
    »Du hast es erfasst. Das war wirklich ein ziemlicher Schock. Könnt ihr uns helfen?«
    »Tut mir Leid, Kumpel. Wir haben

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