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Das Fest

Titel: Das Fest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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einmal im Leben nach seiner eigenen Pfeife tanzen wollte? Dass er etwas wagen wollte, was noch keiner gewagt hatte? Warum all dieser Groll von Menschen, die er seit Jahren kannte und schätzte?
    Was auch immer in den nächsten Stunden geschehen mochte — Luther schwor sich, dass nichts ihn dazu bringen würde, seine Nachbarn anzubetteln, doch auf die Party zu kommen. Erstens würden sie stocksauer sein und ohnehin nicht kommen. Zweitens wollte er ihnen keinesfalls die Genugtuung verschaffen, seine Einladung abzulehnen.
14
    S ein zweiter Anruf galt den Albrittons, alten Freunden aus der Kirchengemeinde, die eine Autostunde weit weg wohnten. Luther schüttete ihnen sein Herz aus, und als er fertig war, brüllte Riley Albritton vor Lachen. »Das ist Luther«, sagte er zu jemandem im Hintergrund, wahrscheinlich zu Doris. »Blair hat gerade bei ihm angerufen. Sie kommt heute Abend nach Hause.« Daraufhin brach Doris — oder wer immer es auch war — in hysterisches Gelächter aus.
    Luther wünschte sich, er hätte nicht angerufen. »Bitte hilf mir, Riley«, flehte er. »Könnt ihr vorbeischauen?«
    »Tut mir Leid, Kumpel. Wir essen heute bei den McIlvaines zu Abend. Die haben uns nämlich ein bisschen früher eingeladen, weißt du?«
    »Schon gut«, erwiderte Luther und legte auf.
    Sofort klingelte das Telefon. Es war Nora, und ihre Stimme klang so nervös wie nie zuvor. »Wo bist du gerade?«, wollte sie wissen.
    »Tja, in der Küche. Und wo bist du?«
    »Ich stecke im Stau auf der Broad Street, um die Ecke vom Einkaufszentrum.«
    »Wieso fährst du denn zum Einkaufszentrum?«
    »Weil es im Viertel absolut keine Parkplätze mehr gibt, schon die Zufahrtsstraßen sind verstopft. Ich habe noch keinen einzigen Einkauf erledigt. Hast du einen Baum?«
    »Ja, eine richtige Schönheit.«
    »Bist du dabei, ihn zu schmücken?«
    »Ja, natürlich! Im Hintergrund schmalzt Perry Como ›Jingle Bells‹, während ich Eierflip trinke und unseren Baum schmücke. Wünschst du dir jetzt, du wärst hier?«
    »Hast du schon jemanden angerufen?«
    »Ja, die Lairds und die Albrittons, von denen kann keiner kommen.«
    »Ich habe die Pinkertons, Harts, Malones und Burklands gefragt. Sie haben alle schon etwas vor. Dieser Langweiler Pete Hart hat mich sogar ausgelacht.«
    »Ich werde ihn ür dich verprügeln.« Spike klopfte an die Tür. »Ich muss wieder an die Arbeit.«
    »Vielleicht solltest du besser schon mal damit anfangen, die Nachbarn anzurufen«, sagte sie stockend.
    »Wieso denn?«
    »Um sie einzuladen.«
    »Nicht in einer Million Jahren, Nora. Ich lege jetzt auf.«
    »Blair hat sich nicht mehr gemeldet.«
    »Sie sitzt in einem Flugzeug, Nora. Ruf mich später noch mal an.«
    Spike hatte einen roten Leiterwagen organisiert, der schon bessere Tage gesehen hatte. Nach einem kurzen Blick war Luther klar, dass er zu klein und klapperig war, aber sie hatten keine Wahl. »Ich gehe zuerst rüber«, sagte er, als wüsste er genau, was zu tun war. »Warte fünf Minuten und komm dann mit dem Wagen hinterher. Pass auf, dass dich keiner sieht, okay?«
    »Wo sind meine vierzig Dollar?«
    Luther gab ihm einen Zwanzigdollarschein. »Eine Hälfte jetzt, die andere Hälfte, wenn alles erledigt ist.«
    Er betrat das Haus der Trogdons durch die Garage und kam sich zum ersten Mal im Leben wie ein Einbrecher vor. Als er die Tür zum Wohnbereich öffnete, ertönte für ein paar Sekunden ein Alarm — für ein paar ausgesprochen lange Sekunden, in denen Luther das Herz stehen blieb und sein zukünftiges Leben vor ihm ablief. Erwischt, verhaftet, verurteilt, Entzug der Steuerberaterlizenz, Rauswurf bei Wiley & Beck, Schmach und Schande. Dann hörte das Piepen auf, aber es dauerte noch einige Sekunden, bis Luther wieder atmen konnte. Eine Kontrolltafel neben der Hintertür zeigte an, dass alles in Ordnung war.
    Was für ein Durcheinander! Das Haus war die reinste Müllhalde, Abfall und Geschenkpapier lagen überall verstreut — ein eindeutiger Beweis dafür, dass der Weihnachtsmann es mal wieder gut gemeint hatte. Trish Trogdon hätte ihren Mann erwürgt, wenn sie gewusst hätte, dass er Luther die Schlüssel überlassen hatte. Luther blieb im Wohnzimmer stehen und starrte den Baum an.
    In der Hemlock Street war allgemein bekannt, dass die Trogdons sich beim Schmücken ihres Baums nicht besonders viel Mühe gaben. Sie erlaubten ihren Kindern, alles daran zu hängen, was sie finden konnten. Millionen von Lämpchen, Girlanden, die farblich nicht

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