Das Fest
in den Sträuchern, keinen Frosty auf dem Dach. Wir schenken uns das Ganze, Butch. Keine Kalender von der Polizei, keine Christstollen von der Feuerwehr. Überhaupt nichts, Butch.
Und auch Butch war mit überhaupt nichts gegangen.
Das Päckchen kam von einem Versandhaus namens Boca Beach. Luther war im Internet auf den Laden gestoßen. Er nahm die Schachtel mit ins Schlafzimmer, schloss die Tür ab und zog sich ein Ensemble aus Hemd und Shorts an, das schon im Katalog ein wenig unkonventionell gewirkt hatte, an Luther jedoch geradezu knallig aussah.
Nora klopfte an die Tür und fragte: »Was ist denn, Luther?«
Auf dem Ensemble prangte Meeresfauna und -flora in Gelb, Aquamarin und Dunkelgrün, darunter große, fette Fische, denen Luftblasen aus den Mäulern stiegen. Verrückt — zugegeben. Lächerlich — auch das.
Doch Luther beschloss auf der Stelle, dass er dieses Outfit lieben und voller Stolz an einem der Pools auf der Island Princess zur: Schau tragen würde. Dann riss er die Tür auf. Nora schlug die Hände vor den Mund und begann hysterisch zu lachen. Er stolzierte den Flur entlang, während seine Frau hinter ihm sich die Seiten hielt. Luthers tiefbraune Füße bildeten einen scharfen Kontrast zu dem khakifarbenen Teppich. Luther marschierte ins Wohnzimmer und stellte sich mit stolzgeschwellter Brust ans Fenster, damit ganz Hemlock Street ihn sehen konnte.
» Das willst du anziehen? Das ist nicht dein Ernst.«, johlte Nora.
»Das ist mein voller Ernst!«
»Dann komme ich nicht mit!«
»Natürlich kommst du mit.«
»Es sieht grauenhaft aus.«
»Du bist doch bloß neidisch, weil du nicht so ein tolles Outfit hast.«
»Im Gegenteil — ich bin froh, dass ich so etwas nicht habe.«
Luther packte sie und tanzte ausgelassen mit ihr durch das Zimmer. Nora lachte Tränen über ihren Ehemann — ein verkniffener Steuerberater in einem faden Verein wie Wiley & Beck, der versuchte, wie ein Strandgigolo auszusehen. Was vollkommen daneben gegangen war.
Das Telefon klingelte.
Luther erinnerte sich später daran, dass er und Nora beim zweiten oder vielleicht auch dritten Klingeln mit dem Tanzen und Lachen aufhörten, aus irgendeinem Grund innehielten und den Apparat anstarrten. Es klingelte noch einmal. Luther ging zögernd auf den Apparat zu und hob ab. In diesem Moment herrschte Totenstille, und alles schien wie in Zeitlupe abzulaufen.
»Hallo?«, sagte er. Merkwürdigerweise fühlte sich der Hörer plötzlich schwerer an als zuvor.
»Hallo, Daddy, ich bin es.«
Einerseits war Luther überrascht, andererseits auch wieder nicht. Verblüfft, Blairs Stimme zu hören, aber überhaupt nicht verblüfft, dass sie es irgendwie geschafft hatte, an ein Telefon zu kommen, um ihre Eltern anzurufen und ihnen fröhliche Weihnachten zu wünschen. Schließlich gab es auch in Peru Telefonapparate.
Aber ihre Worte waren so klar und verständlich! Luther konnte sich kaum vorstellen, dass seine geliebte Tochter im Dschungel auf einem Baumstumpf saß und in ein tragbares Satellitentelefon brüllte.
»Es ist Blair«, sagte er. Mit einem Satz war Nora an seiner Seite.
»Miami« war das nächste Wort, das Luther registrierte. Die Wörter vorher und nachher vergaß er, doch dieses eine setzte sich in seinem Gehirn fest. Das Gespräch dauerte erst wenige Sekunden, aber schon hatte Luther das Gefühl, als stünde ihm das Wasser bis zum Hals. In seinem Kopf drehte sich alles.
»Wie geht es dir, Schatz?«, fragte er.
Ein paar Wörter, dann wieder »Miami«.
»Du bist in Miami?«, rief Luther mit hoher, trockener Stimme. Hastig hielt Nora ihr Ohr so nahe wie möglich an den Hörer. Ihre Augen waren nur noch Zentimeter von Luthers entfernt und blickten hart und wild.
Luther hörte zu. Dann wiederholte er: »Du bist in Miami und kommst nach Hause, um mit uns Weihnachten zu feiern. Das ist ja wundervoll, Blair!« Nora riss ihren Mund weiter auf, als Luther es jemals zuvor gesehen hatte.
Wieder lauschte er. »Wer? Enrique?« Dann stieß er mit voller Lautstärke hervor: »Dein Verlobter! Was für ein Verlobter?«
Nora hatte einen Geistesblitz und drückte den Knopf für die Freisprecheinrichtung. Blairs Worte tönten aus dem Lautsprecher und hallten durch das Wohnzimmer: »Er ist ein peruanischer Arzt, den ich direkt nach meiner Ankunft hier kennen gelernt habe, und er ist einfach wunderbar. Wir haben uns auf den ersten Blick ineinander verliebt und nach einer Woche beschlossen zu heiraten. Er ist noch nie in den Staaten
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