Das Festmahl des John Saturnall
»Bleib hier«, flüsterte er Philip zu. »Rührt euch nicht vom Fleck, verstanden?« Dann wandte er sich an Piers. »Kommt mit mir, Lord Piers. Ich bringe Euch weg.«
Er musste ihn nicht zweimal bitten. »Mein Vater wird Euch für Euren Dienst belohnen«, sagte Piers hastig und ergriff John am Arm. »Für Eure Tapferkeit, wollte ich sagen. Ich werde Euch persönlich belohnen ...«
Ohne die anderen zu beachten, fasste John Piers unter. Aus dem Augenwinkel sah er den schimmernden Brustpanzer und die geschlitzten Seidenärmel von Piers’ Hemd. Er blickte zu den Steinschlosspistolen, die geladen in ihren zierlich gearbeiteten Lederhalftern steckten.
»Wie würde es dir gefallen, Meisterkoch im Gutshaus von Buckland zu werden?«, redete Piers weiter, als sie geduckt am Graben entlanghumpelten. »Ich meine, wenn ich Lucretia heirate ...«
Sie hatten das Zauntor fast erreicht. Unversehens packte John Piers am Arm und hievte ihn die Böschung hinauf. Oben angekommen, hatten sie die Musketiere im Blickfeld. Ein verblüffter Piers sah wie gelähmt zu, als John eine der Steinschlosspistolen aus dem Halfter riss. Er richtete sie auf die Musketiere und schrie, so laut er konnte: »Für Gott und für Königin Mary!«
John feuerte, und der Schuss riss seinen Arm nach oben.
»Bist du des Teufels!«, keuchte Piers.
Drüben drehten die Musketiere sich schnell um und liefen los. Während John Piers durch das Zauntor zog, knatterte eine Salve Schüsse. Fluchend und jammernd, eine Hand an seinem verletzten Hintern, hinkte Piers hinter John her.
»Wie kannst du dich unterstehen! Mich als Lockvogel zu benutzen ...«
»Uns«, gab John zurück. Hinter dem Zauntor sahen sie sich einer hohen Dornenhecke gegenüber. John zog Piers zu sich und suchte mit dem Blick das dornige Gesträuch ab. »Hierher.«
Sie krochen hinein, Piers furchtsam.
»Gott strafe dich, Küchenjunge.«
»Koch.«
John kroch voran, stellte sich vor, wie Musketenkugeln die schützenden Dornen durchdrangen und ihn wie Phineas oder Henry Palewick durchlöcherten. Doch hinter seiner Furcht regte sich grimmige Heiterkeit. Er war wieder in einem Brombeerdickicht, nur dass er sich diesmal in Gesellschaft von Lucretias Bräutigam befand. Widerstrebend und zeternd folgte Piers Johns schlangengleichen Bewegungen. Bald waren sie tief im Dickicht; das Sonnenlicht blitzte durch die Dornen und schimmerte auf dem üppigen Gras draußen. Dann senkte sich ein Schatten herab. Geistesgegenwärtig hielt John Piers eine Hand auf den Mund. Der Umriss eines Musketiers war durch das Gestrüpp erkennbar. Die beiden beobachteten, wie der Soldat stehenblieb und lässig seine Waffe schwang. Ein zweiter Soldat trat zu ihm. Sie begannen das Dickicht zu umkreisen.
»Hier drinnen schlägt unser letztes Stündlein«, flüsterte Piers.
»Seid still«, flüsterte John zurück.
Die Dragoner umschritten das Dickicht; es waren mindestens vier. Ihre dunklen Umrisse erschienen und verschwanden. Dann vergingen lange Minuten, bevor wieder ein Schatten auftauchte. Aber sie feuerten nicht in das Gestrüpp, wie John befürchtet hatte. Zuletzt gaben sie die schweigsame Jagd auf.
»Das ist wegen ihr.« Nach der langen Stille schrak John zusammen, als er Piers’ Stimme hörte. Piers beäugte ihn hasserfüllt. »Nicht wahr? Deshalb hast du mich hier reingeschleppt. Nicht wegen deiner kleinen Truppe von Küchenjungen. Du hast ihr den Hof gemacht und wolltest mich loswerden ...«
»Ich habe für sie gekocht«, fiel ihm John ins Wort. »Mehr nicht.« Doch dann fragte er sich, ob Piers vielleicht recht hatte. Was wäre gewesen, wenn eine Musketenkugel Piers und nicht Henry Palewick den Schädel gespalten hätte?
»Du hast gekocht, und ich hab ihr den Hof gemacht«, sagte Piers versonnen. »Und jetzt sind wir hier.«
»Bedenkt, was die Callocks gewinnen werden«, sagte John sarkastisch. »Das Gutshaus. Die Ländereien des Tals. All die Pachtzahlungen und Pfründe ...«
»Wir sollten besser bedenken, was wir verloren haben«, unterbrach Piers ihn erbittert. »In alten Zeiten waren wir alle Callocks. Wusstest du das? Bevor die Hälfte von uns sich Fremantle nannte, als wären sie Normannen. Das ganze Tal war das Land der Callocks. Und seitdem haben wir immer wieder versucht, es zurückzugewinnen.« Piers verlagerte sein Bein und befingerte vorsichtig seinen Hintern. »Weißt du, wer mir diese Verwundung beigebracht hat?«
John zuckte die Achseln; seine Gedanken waren bei Philip und den anderen, die
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