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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Einbuchtung einer Böschung.
    Ein heller Mond stieg auf und warf sein blasses Licht auf das Gras. John kauerte unter einer Hecke, verwünschte Piers Callock zum hundertsten Mal und versuchte zu ergründen, wo er sich befand. Am einen Ende des Schlachtfelds lag Sulby. Am anderen Ende Naseby. Er roch Rauch, sah aber kein Feuer. Hin und wieder hörte er das Donnern von Pferdehufen.
    Bis zum Morgengrauen konnte er zehn Meilen gehen, überlegte er. Und sich bei Tagesanbruch wieder verstecken. Dann wieder zehn Meilen und wieder zehn Meilen. Den ganzen Weg zurück zum Tal.

    Am anderen Ende der Wiese war ein eingestürzter Brunnen. John fiel ein, wie durstig er war. Aber er hatte keine zehn Schritte getan, als ein lauter Knall seinen Kopf zu zertrümmern schien. Er fiel zu Boden.
    »Hierher!«, rief eine Stimme. John lag auf dem Boden. Zwei Rundkopf-Soldaten standen neben ihm. Weiter weg zogen vier andere einen zweirädrigen Karren. Der Soldat über ihm zückte eine Steinschlosspistole. Gerötete Augen blickten aus einer Maske von Schmutz. John sah, dass der Karren mit Leichen beladen war.
    »Parole?«
    »Gott allein«, sagte John.
    »Papistischer Lügner.«
    Der Mann zückte seine Steinschlosspistole, und John spürte, wie das Eisen ihres Laufs seine Kopfhaut berührte. Er sah, wie der Mann seine Hand spannte. Dann explodierte ein geräuschloser weißer Blitz in seinem Kopf. John roch brennendes Haar und spürte etwas Heißes an seinem Gesicht hinabrinnen. Er fiel.
    Aber seltsame Sinneseindrücke stürmten auf ihn ein. Er fiel immer langsamer, als könnte er den Boden nicht erreichen, und als er das nächste Mal die Augen öffnete, wollte es ihm scheinen, als hätte das Mondlicht alle Farben aus der Szenerie getilgt. Zu seiner Überraschung verspürte er keinen Schmerz.
    Der Dragoner mit der Pistole entfernte sich schwankend. Hatte offenbar sein Ziel verfehlt, dachte John. Während er hinsah, ertönte ein scharfer metallener Laut, und der Dragoner taumelte zur Seite. Seine Kameraden sahen sich um, und einer zückte seine Pistole. Im nächsten Augenblick schlug er sich die Hände vors Gesicht. Ein anderer griff nach seinem Degen und ließ ihn fallen, als hätte ihn eine Wespe in die Hand gestochen. John versuchte ihren Angreifer zu entdecken. Er sah den Soldaten mit dem Schlapphut allein auf der Böschung stehen.
    Der Soldat trug eine schwere Lederrüstung, die Hutkrempe verdeckte sein Gesicht. Steine rasselten in dem Beutel, den er sich über die Schulter geworfen hatte, und ein kurzer Degen baumelte in seiner Scheide. John sah, wie der Mann in den Beutel griff, einen Stein in der
Hand wog und ihn warf. Der Soldat, der John am nächsten stand, schrie vor Schmerz auf und hielt sich das Knie.
    »Zur Hölle mit dir«, stöhnte er.
    »Dafür ist es zu spät«, sagte die einsame Gestalt. »Ich bin schon vor langer Zeit in die Hölle gekommen.«
    Die Stimme klang vertraut. Und gleichzeitig fremd, als hörte John sie vom Grund eines Brunnens.
    »Auf welcher Seite stehst du?«, fragte einer der Dragoner, als der Mann von der Böschung heruntersprang.
    »Ich?«, antwortete der Soldat. »Ich stehe auf keiner Seite.«
    John spürte, wie das Blut aus seiner Kopfwunde seinen Hals hinunter troff. Offenbar hatte die Kugel ihn an der Kopfhaut erwischt. Die Dragoner begannen zu murren.
    »Werft ihn auf den Karren«, sagte einer, und es klang, als kämen seine Worte aus großer Entfernung.
    Aber es gab keinen Karren. Und die Soldaten waren auch nicht mehr zu sehen. John versuchte aufzustehen, aber ein schweres Gewicht lastete auf seiner Brust. Der Geruch feuchter Leichentücher stieg ihm in die Nase, und der Boden unter ihm schien sich zu verhärten ... Plötzlich beugte sich der Steinewerfer über ihn.
    »Du läufst schnell, John. Wie in alten Tagen.«
    Und da wusste John, wessen Stimme es war. Der Schlapphut warf einen Schatten auf das Gesicht, aber sein Träger nahm ihn ab.
    Abel Starling sah kaum anders aus als der Junge, den John zuletzt auf dem Dorfanger von Buckland gesehen hatte. Das Mondlicht verlieh ihm eine gespenstische Blässe.
    »Hast gedacht, das Fieber hätte mich weggerafft, stimmt’s?«
    John nickte, zu überrascht, um zu antworten.
    »Hab selbst ein paarmal gedacht, ich wäre tot.« Abel reichte John die Hand. »Komm mit.«
    Sie machten sich auf den Weg.
    »Das Fieber war heißer als Feuer«, sagte Abel. »Und je heißer ich brannte, umso höher flog ich. Zur Hälfte war ich in der Hütte. Und die
andere Hälfte war

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