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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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tappten.
    »Auch Ihr, Motte!«, begrüßte Mister Stone den Gärtner. »Herein mit Euch! Und Ihr, Quiller. Alle Fremden herein!«
    Der Leiter der Servierdiener kam herbei, und seine Männer folgten ihm. Als Wendell Turpin die Küchenjungen in ausgelassenem Reigen um die Arbeitstische in der Küche führte, kam eine Gestalt mit Haube auf dem Kopf die Treppe herunter. Ein lauter Schrei übertönte den Lärm.

    »Du!« Wie angewurzelt und mit ungläubiger Miene stand Gemma da, bevor sie sich einem errötenden Philip an den Hals warf. »Du bist wieder da!«
    Als sie sich umarmten, trat Mistress Gardiner vor und nahm einen zurückscheuenden Alf in die Arme, während Mistress Pole zwischen die Heimkehrer trat und ihnen zur Begrüßung zunickte wie ein Huhn, das Körner pickt.
    »Henry ist tot?«, hörte John Mister Bunce bestürzt Colin fragen. »Von Underley haben wir erfahren, aber Henry? Das kann nicht wahr sein ...«
    »Vieles kann nicht wahr sein«, sagte Pandar, der die leeren Regalbretter entlangsah. »Heißt aber nicht, dass es nicht geschehen wäre.«
    Die Gesichter der Dienstleute waren mager geworden, sah John, und ihre Livreen waren notdürftig geflickt. Aber der Metallgriff der Schöpfkelle fühlte sich gut an in seiner Hand, und er vibrierte, wenn er gegen den Kessel schlug. Bald herrschte Gedränge in der Küche, doch er schlug weiter, musterte die Gesichter und ließ die ungestüme Melodie des Kessels in dem Gewölbe erschallen. Dann kam Meg und dann Ginny, die die Augen aufriss, als sie John erblickte. Und dann schob sich ein drittes Dienstmädchen durch die Menge.
    Sie trug ein verblichenes Kleid und ein dünnes Umschlagtuch aus Baumwolle. An ihrer Taille klingelte ein Schlüsselbund. Sie riss John die Schöpfkelle aus der Hand.
    »Was im Namen des Herrn ist in Euch gefahren, meinen Haushalt zu dieser Stunde zu wecken?«
    Erst da erkannte John Lucretia.
    Er hatte sie nicht mehr gesehen, seit sie vor drei Wintern abmarschiert waren und die junge Frau mit ihrem Taschentuch zum Abschied gewinkt hatte. Aber ihr Gesicht war es gewesen, das er vor sich gesehen hatte, als er die Hohlwege entlanggestapft oder an Feldrainen entlanggekrochen war. Es war die Erinnerung an sie, die ihn nach Buckland zurückgeführt hatte. Nun war ihr Gesicht schmaler, und ihre Wangenknochen stachen hervor.

    Er stand vor ihr in seiner verschmutzten Kleidung, sein Haar kurzgeschoren, und er roch nach Holzkohle und nach Schweiß. Genau wie beim ersten Mal.
    »Wir sind wieder da«, sagte John.
     
    Im großen Saal waren die Tische und Behelfstische ebenso verschwunden wie das für den König errichtete Podium. An ihrer Stelle lagen Strohsäcke auf dem Boden verteilt. Die zerbrochenen Fenster waren mit Brettern zugenagelt, und an Stelle des Wandteppichs befand sich ein mit weißer Farbe unbeholfen an die Südwand geschmiertes Kreuz. Lucretias und Gemmas Röcke raschelten, als sie John durch das Gutshaus führten. Im Audienzzimmer nahm Lucretia hinter dem Walnussholztisch ihres Vaters mit nüchterner Miene Platz.
    »Sir William weilt in Oxford und ist ans Bett gefesselt«, sagte sie. »Wisst Ihr von seiner Verwundung?«
    John schüttelte den Kopf. Ben Martin hatte gesehen, wie das Pferd Sir Williams beim letzten Angriff gestürzt war, und Luke Hobhouse hatte von einem Feldwebel erfahren, dass er verwundet worden sei. Danach hatte John nur die Gerüchte zu hören bekommen, die in dem Lager von Tuthill Fields herumgeschwirrt waren.
    »Ein Bein wurde zerschmettert«, sagte Lucretia. »Die Ärzte werden entscheiden, was mit dem anderen geschieht. Jetzt kämpft er vom Krankenbett aus für Buckland. Die für Beschlagnahmungen zuständige Kommission wird unseren Fall bald verhandeln.«
    »Beschlagnahmungen, Euer Ladyschaft?«
    »Unsere Gegner waren nicht untätig, während Ihr im Feld wart.«
    Er stand vor ihr; die Blasen an seinen Füßen schmerzten in den Stiefeln. Unvermittelt stand Lucretia auf.
    »Kommt. Ich zeige Euch ihr Werk.«
    Er sah, wie ihre Hüften sich wiegten, als er den zwei Frauen durch die stillen Gänge folgte. Trotz aller Erschöpfung entsann er sich ihrer weißen Knöchel unter dem zerrissenen Stoff ihres Kleides. Er spürte, wie die dünne Narbe, die ihm die Musketenkugel hinterlassen hatte,
sich auf seiner Kopfhaut zusammenzog. Vor Mister Pounceys Zimmer blieben sie stehen. Gemma klopfte und trat ein.
    Ein säuerlicher Geruch hing in dem Raum. Graues Licht fiel durch das einzige Fenster. Vor einem langen Arbeitstisch

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