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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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sich bewegten. Einige setzten sich auf.
    »Hab nur geraten«, sagte er mit Bedacht.
    »Du hast richtig geraten«, sagte Adam. »Das hat Underley zu Roos gesagt. Colin Church hat es gehört. Er war in der Vorratskammer. Er hat es dem schieläugigen Burschen aus der Backkammer erzählt, der früher für die Pökelfässer zuständig war ...«
    »Tam Yallop«, sagte ein kleiner Junge.
    »Bist du dir sicher, Phineas? Na, jedenfalls hat Underley gesagt, einen wie dich hätte er noch nie erlebt, John Saturnall ...«
    John lauschte dem leisen Gemurmel der Küchenjungen. Josh hatte ihn beiseite genommen, bevor er gegangen war. »Dieser Haufen ist von nun an deine Familie«, hatte der Treiber ihm schroff erklärt. »Ich komme nächstes Frühjahr wieder. Henry wird sich um dich kümmern.«
    Die Stimmen der Küchenjungen vermengten sich zu einem Gewirr von Geflüster. John hörte, wie Philip sich auf dem benachbarten Strohsack bewegte. Das war der Ort, den seine Mutter sich für ihn gewünscht hatte, sagte er sich. Das war seine Welt. Mit Scovell und den Köchen und den Küchenjungen ... Aber sie waren verstummt, fiel ihm auf. Er sah hoch.

    Drei Gestalten standen am Fuß seines Strohsacks. Coake, flankiert von zwei Jungen mit feisten Gesichtern. Sie kreuzten die Arme und sahen zu ihm herab. Darauf hatte John gewartet, das wurde ihm nun klar. Er spürte das Glühen der Kohle in seinem Inneren.
    »Ist er das?«, fragte der stämmigere von Coakes Begleitern.
    »Richtig«, sagte Coake. Er wartete, um mehr Wirkung zu erzielen. »Es geht um seine Mutter. Sie ... sie ist tot!«
    Als Coakes Grinsen zu einer Fratze wurde, veränderten sich seine ungeschlachten Züge im Feuerlicht, und mit einem Mal war es John, als starrte Ephraim Cloughs grobknochiges Gesicht ihn an. Ein Brennen stieg in ihm auf. Und in seinem aufloderndem Zorn stürzte sich John auf Coake.
    Sein erster Hieb traf den anderen über dem Auge. Coake schlug die Hände vors Gesicht, und John setzte mit dem Knie nach. Ein hohes Winseln entwich den Lippen seines Gegners. John spürte, wie Knöchel ihn am Hinterkopf trafen. Barlow oder Stubbs, nahm er an. Aber die Schläge spornten ihn nur an. Hinter Coakes Gesicht lauerten alle anderen. Ephraim Clough und Timothy Marpot. All die höhnischen Gesichter. All jene, die seine Mutter verjagt, sie in den Wald und in den Tod getrieben hatten. Er konnte noch so oft zuschlagen, es würde nie genug sein ...
    Unvermittelt wurde er von hinten gepackt. Philip und Adam ergriffen seine Arme. Sie zogen John weg, doch er versuchte sich zu befreien, um weiterzukämpfen. Und dann erklang eine näselnde Stimme von der Tür aus.
    »Was ist das für ein Höllenlärm!«
    »Schluss!«, zischte Philip ihm ins Ohr. »Was ist mit dir los, John? Wenn du dich in der Küche prügelst, fliegst du raus!«
    »Der neue Küchenjunge hat Scherereien gemacht, Mister Vanian, Sir«, rief Barlow durch die Küche. »Wollten ihn nur zur Ruhe bringen, Sir.«
    Stubbs half Coake auf die Beine. John hörte ein verächtliches Schnaufen, als Vanian mit einer Kerze zu ihnen trat. Er wandte sich John zu.

    »Ich glaube, du hast Händel gesucht.«
    John beäugte ihn, bemüht, ruhig zu atmen. Er schüttelte den Kopf. Vanian ließ seinen Blick durch den Raum wandern.
    »Wer also hat hier Händel gesucht?«
    Keine Antwort. Vanian verzog das Gesicht zu einem schmallippigen Lächeln. Dann beugte er sich zu John hinunter.
    »Spar dir deine Kunststückchen für Master Scovell auf, Junge. Er scheint sie zu goutieren.«
    Coake und seine Spießgesellen waren zum anderen Ende des Zimmers zurückgeschlurft. Vanian drehte sich um und stolzierte davon. Adam und Philip sahen John beunruhigt an.
    »Dachte fast, du würdest ihn umbringen«, sagte Adam. Philip nickte. John sah zwischen ihnen hindurch. Sein Zorn war erloschen. Die glühende Kohle hatte sich abgekühlt. Inzwischen pochte es in seinem Kopf, und seine Knöchel schmerzten.
    »Hab die Beherrschung verloren«, murmelte er. Die anderen schwiegen.
    Dann sagte Alf: »Das ist die Vorsehung, sagt meine Schwester. Wie die Leitern in einem Obstgarten. Man muss nur auf die richtige steigen ...«
    Das leise Gemurmel setzte wieder ein. Die Jungen lagen auf ihren Strohsäcken, und John starrte zu der gewölbten Decke hinauf. Eine Beule wuchs an seiner Stirn. Er lauschte auf das Geflüster der Jungen, die sich über die Vorratskammer unterhielten, über Vanian aus der Backkammer und Mister Bunce in der Vorbereitungsbrigade, über Diggorys

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