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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Fenstern der Sonnengalerie hinauf, die in der Morgensonne blinkten. Lucretias Bild war nicht aus seinem Gedächtnis geschwunden, so wenig wie das laute Knurren ihres Magens ...
    »Was ist so komisch?«, fragte Philip.
    »Wieso komisch?«
    »Du hast gegrinst.«
    John schüttelte den Kopf. »Nichts weiter.«
    Der leicht ansteigende Weg führte sie bis zu dem Kastanienwald, aus dem die Kapelle auftauchte wie ein Schiff aus dem Nebel; das Kirchenschiff war der Rumpf aus verwittertem grauen Stein, der hohe Turm ein
unförmiger Mast aus jahrhundertealtem Granit. An seiner Spitze sah John Öffnungen, die gewölbten Fenstern ähnelten und ihn an seinen ersten Blick auf das Gut aus weiter Ferne erinnerten. Er roch den Saft der Kastanien ringsum und dann einen süßeren Duft, der in der Luft lag. Obstbaumblüten, erkannte er. Der gleiche Duft wie in Bucclas Wald ... Wie war das möglich? Doch bevor er es näher ergründen konnte, wurde es eng auf dem Pfad. Männer in violetter Livree versperrten den Weg. Aus der Kapelle wurde gerufen: »Aufstellung nehmen! Aufstellung nehmen! Blicke zu Boden für Sir William!«
    Um John herum rissen Männer und Jungen sich die Kopfbedeckungen vom Haupt. Die vorderen Jungen traten hastig zurück und stießen mit den Jungen hinter ihnen zusammen. Innerhalb weniger Sekunden hatten die ordentlichen Reihen sich aufgelöst. In dem allgemeinen Gedränge fand John sich an den Rand gedrückt.
    »Aus dem Weg! Macht den Weg frei für Seine Lordschaft! Blicke zu Boden!«
    Ein aufgeregter Mister Fanshawe kam aus der Kapelle geschritten, gefolgt von zwei Kammerdienern. Die Drängelnden erstarrten. Stille trat ein. Aus der Kapelle trat Sir William.
    John warf einen verstohlenen Blick auf den großen, breitschultrigen Mann mit dichtem schwarzen Haar und einem Raubvogelgesicht. Er war von Kopf bis Fuß schwarz gekleidet; ihn begleitete ein kleinerer Mann mit einer Kette um den Hals. Sir William schien die schweigende Menschenmenge nicht zur Kenntnis zu nehmen. Während die Bediensteten sich zu verneigen begannen, schritten die zwei Männer den Korridor entlang, den die Zurückweichenden ihnen eröffneten. John beugte den Kopf wie die anderen und sah nur undeutlich zwei Frauen, eine große Dünne und eine kleine Dicke, die beide schwarze Büchlein umklammert hielten. Und dann riss er die Augen auf. Hinter den Frauen kam eine zierlichere Gestalt. Lady Lucretia.
    Sie trug eine kunstvolle Seidenhaube und dasselbe dunkelgrüne Kleid wie beim letzten Mal. John verdrehte den Hals, um ihr Gesicht zu sehen. Dieselbe spitze Nase, dieselben dunklen Augen. Doch im
nächsten Augenblick verpasste eine schwere Hand John eine Kopfnuss. Vanians Gesicht tauchte vor ihm auf.
    »Blick zu Boden!«, zischte Vanian. Eine knochige Hand drückte Johns Kopf nach unten.
    Der kleine Zug wanderte vorbei. Männer und Jungen betraten die Kapelle. John und Philip knieten mit den anderen Küchenjungen unter einer Reihe verblichener Banner hinten im Kirchenschiff. Die Glasmalerei eines Fensters zeigte einen Ritter, der vor einem Feuer kniete. Zwischen dunklem Holz und verwittertem Stein leuchteten die Flammen hell.
    »Das ist Pater Yapp«, flüsterte Philip.
    Ein junger Mann mit rosigen Wangen in weißem Chorhemd stieg zur Kanzel hinauf. Das Licht aus dem Fenster goss einen purpurnen Schein um seinen Kopf. John machte sich auf den unvermeidlichen Sermon gefasst. Aber der Priester hatte kaum das Vaterunser und eine Bibelstelle aufgesagt, als Philip John zum Aufstehen nötigte.
    »Die Dienerschaft muss sich abwechseln«, erklärte Philip, als sie sich zum Gehen anschickten. »Nicht genug Platz für alle.«
    »Und da oben?«, fragte John, der auf eine Galerie deutete, an deren Ende eine schwere Tür in die Wand eingelassen war.
    Philip schüttelte den Kopf. »Das war Lady Annes Platz. Die Tür da hinten führt zum Turm. Da oben ist niemand der Zutritt erlaubt. Nur Sir William.«
    Eine lange Reihe von grünlivrierten Männern kam in die Kirche. Die Küchenleute tauschten Blicke mit den Haushaltsleuten. Unter den Männern des Haushalts erkannte John ein vertrautes Gesicht.
    »Ben!«
    Ben Martin wirkte fast erfreut.
    »Sie haben mich für die Verzeichnisse eingestellt«, sagte er zu John. »Die meisten hier können kaum bis drei zählen. Und du?«
    »Spülküche.«
    Die Jungen hinter ihm drängelten hinaus. Die Männer in Grün drängelten herein. Ben trat aus der Reihe und beugte sich zu John.

    »Ein Bursche aus Buckland war neulich hier. Hat

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