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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Mister Quiller, herbei, die unter dem Gewicht einer großen silbernen Terrine ächzten. Aus dem dampfenden Gefäß stieg berauschender Weinduft auf. Becher wurden an dem hohen Tisch ausgeteilt. Sir Hector brachte einen Trinkspruch auf den König aus, einen auf Sir William, einen auf Sankt Joseph, und dann hielt er seinen Becher zum Nachschenken hin.
    »Das ist ein herrliches Getränk!«, sagte er mit Nachdruck. »Ich werde meinen Koch dazu anhalten, es zu bereiten, sofern der Tunichtgut sich dazu verstehen sollte, es zu lernen ...«
    Mister Pouncey beugte sich vor. »Es ist ein alter Hippocras, Sir Hector.« Er deutete auf den Wandteppich. »Es heißt, der erste Herr von Buckland habe seinen heiligen Wein über einem Feuer gewärmt, auf das er in der Wildnis gestoßen war. Als er seinen Wein auf wundergleiche Weise gewürzt fand, soll er an diesem Ort einen Turm errichtet haben. Und nun überragt sein Grabmal das Tal ...«
    »Der erste Herr, hm, hm.« Sir Hectors Stimme hatte eine neue scharfe Note. Lucretia sah Lady Caroline einen besorgten Blick über den Tisch werfen. Mister Pouncey schaute verblüfft drein. Sir Hector gestikulierte mit ausgestrecktem Zeigefinger. »Jede alte Geschichte kann auch anders erzählt werden, Herr Haushofmeister. Wir Callocks haben unsere eigene Überlieferung ...«
    Doch bevor er weitersprechen konnte, unterbrach ihn Lucretias Vater.
    »Wir Fremantles kennen diese Überlieferung.«
    Der schwarzgekleidete Hausherr richtete sich in seinem Stuhl auf. Sir Williams raue Stimme war weder laut noch schroff, doch der Tadel, den sie vermittelte, war so deutlich, als hätte er ihn vom Turm der Kapelle aus gebrüllt. Am ganzen Tisch verstummten die Gäste. Die Diener standen schweigend da. Sir William bedachte Sir Hector Callock mit einem eisigen Blick. In dem Schweigen, das den Saal erfüllte, betrachtete Lucretia das unerbittliche Gesicht, dem sie so oft Trotz geboten hatte, und konnte den eigenen Wagemut kaum fassen. Hector Callock bewegte wortlos die Kinnbacken. Sein rotes Gesicht rötete sich noch stärker, als hätte der Herr von Buckland ihm einen Knebel in den Mund gesteckt.
    »Unsere Überlieferungen sind uns lieb und teuer«, erklärte Sir William. »Und nun können wir sie vereinen.«
    Er sah zu Sir Hector, der sich zu einem Nicken durchrang.
    »Gewiss, Sir William«, sagte er mit versagender Stimme. Lucretias Vater bedachte ihn mit einem langen Blick und nickte dann. Lucretia spürte Erleichterung allenthalben, als der schwarzgekleidete Gastgeber auf die leeren Becher wies. Sir Hector nickte dankbar, als sein Becher gefüllt wurde.
    »Wir wollen auf unsere Vereinigung trinken«, befahl Sir William. »Lasst uns den Hippocras genießen!«
    Lucretia und Piers wurde das Getränk mit Wasser verdünnt serviert. Lucretia nippte vorsichtig. Liebe, erinnerte sie sich, war das, was ihre Schäfer trunken machte. Dennoch merkte sie, dass ihr warm im Bauch wurde. Hinter ihrem Becher hervor spähte sie zu Piers. Sein Haar hatte einen gewissen Glanz, befand sie. Sein Kinn wirkte im Schatten weniger schwach. Piers trank schnell und ließ sich den Becher wieder füllen. Dann übertönte erneut Hector Callocks Stimme das Geplapper der Bediensteten.
    »Ein hübscherer Teufel als Buckingham hat inzwischen das Ohr des Königs«, erklärte Sir Hector. Dann dämpfte er die Stimme und warf einen vorsichtigen Blick zu Sir William. »Die Bourbonin ist da, wenn er aufsteht. Sie ist da, wenn er schläft. Sie ist da, wenn Seine Majestät
an die frische Luft geht und wenn Seine Majestät sich zu Tisch begibt. Stützt ihn vermutlich sogar beim Wasserlassen. Sie hält ihn am Ohr wie am Nasenring.«
    Mistress Pole sah entsetzt drein, als Sir Hector die Hand an sein dickes rotes Ohrläppchen führte und daran zog. Lucretia lächelte Piers an. Doch der Junge schien sich mehr für seinen Becher zu interessieren. Er leerte ihn auf einen Zug und winkte den nächstbesten Diener herbei. Lucretia spürte ein Zwicken in ihrem Magen. Nicht das gewohnte Grimmen. Ein schmerzhafteres Zwicken. Die Aromen des Gewürzweins stiegen aus der Silberterrine auf und wehten in Schwaden zu den verschatteten Deckenbalken empor, umspielten sie. Lucretia nippte an ihrem Wein.
    »Ein König hat seine Leidenschaften, wie Gott seine Gründe hat«, erklärte Sir Hector Sir William. »Wir haben darauf keinen Einfluss. Heiratete der König eine Türkin, würde ich ihr huldigen. Aber eine Papistin ... Die Bischöfe misstrauen ihr. Ebenso das

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