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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
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Oberhaus. Und das Unterhaus geht im Palast von Whitehall zu papistischen Messfeiern ...«
    Erschrocken begriff Lucretia, dass Sir Hector mit »Papistin« und »Bourbonin« die Königin bezeichnete. Sie beugte sich vor, um besser zu hören, doch im selben Augenblick flüsterte Lady Caroline ihrem Sohn etwas zu. Piers neigte sich zu Lucretia.
    »Lady Lucretia«, sagte er mit eigenartig schleppender Zunge. »Lasst mich Euch zu Eurer fürstlichen Tafel gratulieren.«
    Sie starrte ihn verblüfft an. »Zu meiner Tafel, Lord Piers?«
    »Ja, zu Eurer Tafel.« Mit einer Handbewegung deutete er auf das Silbergeschirr. Lady Caroline flüsterte abermals. »Und Eurer Person komplimentieren«, fügte Piers hinzu.
    Sein Gestammel wurde immer undeutlicher. Vielleicht sprach er immer so, überlegte Lucretia. Sein Blick wurde unstet. Er wollte nach seinem Becher greifen, stieß ihn um, und der dunkle Wein ergoss sich über das weiße Tischtuch.
    Soviel zur Tafel, dachte Lucretia. Plötzlich spürte sie Heiterkeit wie eine Blase aus ihrem weingewärmten Magen emporsteigen. Sie betrachtete
wieder Piers’ fliehendes Kinn und die hohe gewölbte Stirn. Sein schmales Gesicht mit der langen Nase und den eng beieinander liegenden Augen. Wasserpastinake, dachte sie wieder, und diesmal ließ der unehrerbietige Gedanke sich nicht mehr unterdrücken. Ein Schluckauf aus Gelächter entschlüpfte ihrem Mund. Ihr Gegenüber runzelte die Stirn.
    »Verzeiht mir, Lord Piers«, sagte Lucretia mit erzwungener Beherrschung. »Ich fürchte, ich habe zu schnell getrunken. Es ist nur eine vorübergehende Unpässlichkeit.«
    Doch ein nächster Schwall von Schluckauf und Gekicher folgte.
    »Lacht Ihr über mich?« Piers’ Stimme war fast ein Lallen. Er kniff die Augen zusammen und ließ seinen unsteten Blick über den Tisch wandern. Lucretia sah, dass Lady Caroline seinen Becher außer Reichweite stellte.
    »Ich lache über mich selbst«, brachte Lucretia in den kurzen Atempausen heraus. »Ich versichere es Euch.«
    Wie töricht sie gewesen war! Wie albern, sich einzubilden, Piers Callock könnte sie in jene Welt begleiten, die sie sich in ihren kindischen Spielen ausgemalt hatte. Dass er sich verkleiden könnte wie die Schäfer in ihrem Buch. Er war, wie er sich präsentierte. Und das galt genauso für das Tal von Buckland. Ihre Mutter hatte ihr Leben für einen Sohn gegeben. Nicht für sie.
    Das Kerzenlicht verdichtete sich, die funkelnden Flammen brannten in dunklerem Gelb. Auf der anderen Seite des Tischs begann Piers’ Wasserpastinakengesicht zu zerfließen und zu verschwimmen. Lucretia merkte, dass sie betrunken war. Weiter weg am Tisch sandte Mistress Pole tadelnde Blick aus. Eine neue Salve von Gekicher drang aus Lucretias Mund. Doch diesmal lachte sie unfroh. Als Piers sie misstrauisch beäugte, entstand Unruhe am anderen Ende des Saals. In dem Durchgang mit der gewölbten Decke sammelten sich die Diener, die ihnen aufwarteten.
    Gemma hatte sich beschwert, dass die Männer in der Küche wie die Galeerensklaven geschuftet hatten. Sie hatte ihren Küchenjungen kaum
noch zu sehen bekommen. Nun führte Mr. Quiller eine lange Reihe von Männern in grüner Livree an, die schwere Servierbretter trugen, allesamt mit Platten voller Speisen beladen.

    Die Hitzewelle schob sich vom Herd in die Küche vor. Philip und John liefen in den Hof und zurück, die Arme voller Brennholz. Sie drückten sich an dem Ledervorhang vorbei und zwischen Bänken und Tischen hindurch, wo gerupfte Vögel in Haufen lagen, Fleischstücke von Haken und Gestellen hingen, Schüsseln und Töpfe bereitstanden, gefüllt mit feingestoßenem Zucker, kleingeschnittenen frischen Kräutern, Zitronen, Sauerrahm ... Ein reißender Strom aus Gerüchen umspülte John: bratendes Fleisch, siedende Suppen und Saucen, die scharfen Aromen von Essig und Verjus. Die Jungen manövrierten ihre Last um die Wärmepfannen herum und stapelten sie neben den Kaminböcken. Im riesigen Maul des Herdes ragten die Räder, Kurbeln und Stangen des Bratspießes auf. Dort steckten Colin Church und Luke Hobhouse die gerupften Körper von Kapaunen, Fasanen, Gänsen, Enten und kleineren Vögeln, die John nicht identifizieren konnte, sorgsam fest.
    »Ihr beiden dreht«, sagte Underley zu ihnen und ergriff das Metallrad mit den zwei Kurbeln. »Traut ihr euch das zu?«
    Von den Bänken und Tischen hinter ihnen ertönte ein Klopfen, Hacken, Klappern und Klirren, das unter der gewölbten Decke widerhallte, bis die Luft vor

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