Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
bisschen aufbrausend werden, wenn etwas nicht so läuft, wie er das will. Aber ansonsten ist er ein wirklich netter Kerl. Gut, er hat komische Ansichten von manchen Dingen, aber wer hat die nicht?«
»Meinst du, dass er mit mir über seine Glaubensvorstellungen sprechen würde?«, wollte Katja wissen.
»Über sein Heidentum?« Veronika nickte enthusiastisch. »Auf jeden Fall. Wenn du das Thema anschneidest, ist er nicht mehr zu halten.«
»Super.« Katja grinste. »Genau so jemanden habe ich gesucht.«
Bernd blies absichtlich einen ordentlichen Schwall Rauch in ihre Richtung. »Muss ich mit?«
»Nur wenn du dich benehmen kannst.«
Bernd schwieg, verdrossen und zufrieden zugleich, weil ihm Katja die Entscheidung soeben sehr leicht gemacht hatte.
62
Sie wusste nicht, wie lange sie schon unter der Dusche stand. Es konnten Minuten oder Stunden sein. Das Wasser, das auf sie niederprasselte, war eiskalt, und trotzdem wusch sie sich weiter. Mit kräftigen Bewegungen, als wäre sie von Kopf bis Fuß mit Schlamm verkrustet.
Sie stank. Nach Schweiß und Tränen und Blut und billigem Fusel. Sie fuhr sich durchs Haar. Lange Strähnen, die ihr zwischen den Fingern kleben blieben, lösten sich ihr vom Kopf. Es tat nicht weh. Nichts tat mehr weh. Sie zog weiter an ihrem Haar, bis ihr Schädel nackt und glatt war. Sie tastete über ihren Scheitel, spürte eine fleischige Falte, in die sie ihre Fingernägel grub. Schmatzend löste sich die Haut. Sie schob die Finger tiefer in die Wunde, die keine Wunde war, zerrte an deren Rändern. Mit dem Geräusch von zerreißendem Stoff legte sie frei, was darunter war.
Sie schrie nicht. Sie hatte schon genug geschrien. Sie wollte nicht mehr die Frau sein, die so viel geschrien hatte. Lachend streifte sie ihre alte Hülle ab, schlüpfte aus ihrem geschundenen Kokon. Er hing in Fetzen an ihr herab wie ein bizarres Kleid. Das Wasser löste die faserigen Streifen nach und nach auf, verwandelte sie in rötlichen Schaum, der wirbelnd in den Abfluss hinuntergesogen wurde. Sie befreite sich von den letzten Resten und ließ die Hände über ihren neuen Körper wandern. Er war hart wie Marmor, nichts an ihm verletzlich. Man konnte ihn berühren, doch man berührte damit nicht mehr sie. Sie war sicher. Geborgen in einer Rüstung, die keine Waffe je durchstoßen würde.
Das Wasser versiegte von einem Wimpernschlag zum nächsten. Flammen loderten um sie herum auf, über ihr, unter ihr. Ein fauchendes, brüllendes Feuer, dessen gierige Zungen sie zärtlich liebkosten. Sie spürte keinen Schmerz. Nur die Gewissheit, endlich einen treuen Verbündeten gefunden zu haben. Ein Werkzeug ihrer Vergeltung und ihres Zorns, der viel zu lange darauf hatte warten müssen, Gerechtigkeit walten zu lassen.
63
»Katja! Katja!«
Katja war sofort hellwach, als Bernd an ihrer Schulter rüttelte. Hatte sie nicht eben erst die Nachttischlampe ausgeschaltet und die Augen geschlossen? Nein, das konnte nicht stimmen, denn draußen war es bereits wieder hell und durch die geöffnete Terrassentür fiel eine breite Lichtschneise ins Zimmer. »Was ist los?«
»Komm! Das musst du dir ansehen!« Bernds Atem roch nach Zahnpasta, seine Worte kamen gehetzt. »Schnell.«
Während sie noch unter der warmen Decke hervorkroch und gegen ein hartnäckiges Déjà-vu ankämpfte, eilte er um das Bett herum zur Terrassentür. »Ich wollte schön gemütlich meine Guten-Morgen-Kippe rauchen, mache die Tür auf, und was finde ich? Das hier!«
Katja tapste auf nackten Sohlen an seine Seite und gab einen angewiderten Laut von sich. Ihr Ekel entsprang nicht der bloßen Tatsache, dass auf dem runden Gartentisch ein toter Vogel neben dem Aschenbecher lag. Es war die Art und Weise, wie das Amselmännchen entstellt worden war: Sein schwarz gefiederter Leib war von einem guten Dutzend Zimmermannsnägeln durchbohrt, die kreuz und quer in ihn hineingetrieben worden waren.
»Und hier.« Bernd zeigte auf die Tür. In hellem getrocknetem Blut, das vermutlich von der Amsel stammte, war eine Rune auf die Scheibe geschmiert. Eine Rune, die wie ein R aussah. Dieselbe, die man Katjas Onkel in die Stirn geritzt hatte.
»Die zweite Warnung«, sagte Katja nur.
»Ich hol meine Kamera«, kündigte Bernd an. »Das glaubt uns doch sonst keiner. Was für ein krankes Schwein macht so was?«
Katja schlüpfte in ihre Jeans und warf sich ihre Jacke über,weil ihr bei dem Gedanken unwohl wurde, der Mensch, der den toten Vogel abgelegt hatte, könnte noch irgendwo
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