Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Gute Gründe. Er war nicht verrückt.»Der Reaktor ist runtergefahren. Ich werde niemandem fehlen. Ich kann hier nicht bleiben. Sie bringt uns alle um. Und selbst wenn Möhrs ihr auf die Schliche kommt, ist hier sowieso alles vorbei. Das weißt du auch.«
»Ganz ruhig, Gernot, ganz ruhig. Tu jetzt bloß nichts Unüberlegtes. Du bleibst schön, wo du bist. Wo würdest du auch hin?«
Burmester biss sich auf die Lippen.
»Zu deiner Schwester nach Mallorca, oder was?«, schnaubte Johnsen. »Mann, das ist doch Wahnsinn!«
Burmester hätte sich dafür ohrfeigen können, Johnsen jemals von Reginas Angebot berichtet zu haben. In Frührente zu gehen und zu ihr zu ziehen. Er hatte genug Geld auf der hohen Kante und sie ein halbes Apartment frei, seit ihr Mann vorletztes Jahr seinen langen Kampf gegen den Krebs verloren hatte. Was hielt ihn denn schon in Güstrin? Familie? Die hatte er nicht. Die Arbeit? Das war ja nun auch hinfällig. Seine Freunde? Möglich. Aber warum eigentlich? Waren sie nicht eine ständige Erinnerung daran, weshalb er sich zu dem Sonderling entwickelt hatte, der er heute war?
»Hast du dabei vielleicht auch an uns gedacht?«, blaffte Johnsen. »Wie es aussieht, wenn du jetzt so einfach abhaust? Dann lassen die Bullen gar nicht mehr locker.«
»Bestell Mike einen schönen Gruß von mir.«
Burmester schleuderte das Telefon von sich, das irgendwo im Wohnzimmer mit dem Geräusch von zerspringendem Hartplastik auf den Fliesen landete. Er rannte zur Tür, aus dem Haus hinaus. Kehrte noch einmal um, weil er vergessen hatte, die Tür zuzuziehen. Er schloss den Wagen auf, stellte seine Sporttasche dort ab, wo er es geplant hatte.
Das satte Brummen des Motors war Balsam für seine Nerven. Er fuhr los, und zum ersten Mal, seit er nach Güstrin gezogen war, wartete er am Stoppschild an der Ecke nicht, bis alle vier Räder zum Stillstand gekommen waren, sondern bog zügig auf die Hauptstraße ab.
Er erlebte eine echte Überraschung: ein Gefühl von Freiheit, das in ihm wuchs und wuchs und ihm die Freudentränen in die Augen trieb, je mehr Örtlichkeiten er passierte, die er endgültig hinter sich ließ. Die Bäckerei mit der Verkäuferin, die immer so tat, als würde er viel zu leise sprechen, weshalb er seine Bestellung immer mindestens einmal wiederholen musste. Den kleinen Park, den er ohnehin mied, weil er Hunde und Kinder nicht leiden konnte. Den ›Postillion‹, in den er jeden Dienstagabend ging, obwohl er Skat doch eigentlich hasste und schon auf See nur mitgespielt hatte, damit er nicht nur nutzlos in der Ecke saß.
Beim Anblick des Ortsschilds, auf dem der Name Güstrin mit einem dicken roten Querbalken durchgestrichen war, erlaubte er sich ein breites Lächeln. Geschafft. Er hatte es wirklich getan. Er war auf dem Weg in eine Zukunft, in der Güstrin nur noch eine blasse Erinnerung sein würde.
Auf der Landstraße beschleunigte er auf hundertzwanzig, um ein Ventil für die Glücksgefühle zu finden, die sich in ihm Bahn brachen. An der ersten Kreuzung wählte er sogar absichtlich eine schmalere, kurvenreichere Strecke, obwohl dies einen Umweg zum Autobahnzubringer bedeutete. Das war der Arbeitsweg von Peter von seinem Haus im Grünen zum Kraftwerk gewesen – ein Gedanke, der ihn vor wenigen Minuten noch betrübt hätte und nun nur noch den Schatten eines nostalgischen Bedauerns ihn ihm auslöste. All das zählte nicht mehr. Seine Freunde, das AKW, die unerträgliche Angst vor ihr. Peter war unter der Erde, und Frieder und Ernst hatte sie auch erwischt. Aber ihn nicht. Er war ihr entkommen. Dort, wo er hinging, würde sie ihn nicht finden.
Er malte sich seine Ankunft am Hamburger Flughafen aus. Wie er den Audi auf einem Dauerparkplatz abstellte. Wie er zum Terminal schlenderte und sich noch ein Magazin für den Flug kaufte. Ein Automagazin am besten. Wie er eincheckte und die Frau am Schalter über einen kleinen Scherz von ihm lachte. Was er im Flieger trank. Tomatensaft. Tomatensaftund Wodka. Wie heiß es bei seiner Ankunft auf Mallorca war. Blauer spanischer Reisekataloghimmel. Wie sehr Regina sich freute, ihn wiederzusehen. Wie sie ihn umarmte und ihm gleich ein Café zeigte, das ein echter Geheimtipp unter den Einheimischen war. Sein Spanisch war etwas eingerostet, aber sie sprach es natürlich fließend.
Den Wagen, der mit heulendem Motor zu ihm aufschloss, bemerkte er erst, als dessen linker Kotflügel ihm in die Fahrertür krachte. Schreiend verlor Gernot Burmester die gerade erst
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