Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
Kamera aus und ließ sie sich an ihrem Gurt um den Hals baumeln. Zeit für eine Raucherpause. Er entschied sich gegen einen Zigarillo und für eine Dunhill. Nachdem er sein Zippo und die Schachtel aus seinem Jackett geholt hatte, setzte er sich auf ein Fensterbrett am Haus, in eine Lücke zwischen den Blumenkästen. Er erfreute sich einen Moment an dem munteren Flämmchen des Benzinfeuerzeugs, zündete sich dann seine Zigarette an und versuchte, für ein paar Minuten an nichts zu denken.
Sein Plan ging nur für gefühlte zehn, fünfzehn Sekunden auf. Dann spürte er, wie sich seine Nackenhärchen aufrichteten, als ihn das untrügliche Gefühl ereilte, beobachtet zu werden. Er drehte sich um und erstarrte in der Bewegung.Der kahlrasierte Mann starrte ihn aus leeren Augen durch das Fenster hindurch an. Er sah aus, als hätte er einen Hieb mit einem Vorschlaghammer überlebt, der ihm eine Hälfte seines Schädels zerschmettert hatte. Narben zogen sich von der Schläfe über die Stirn bis hinauf zum Scheitel. An mehreren Stellen waren die Knochenplatten so schlecht zusammengewachsen, dass kleine Kuhlen und Dellen unter der Haut zu erkennen waren. Die schmalen Lippen des Mannes formten Worte. Nein, nur ein Wort, wieder und wieder. Zwar konnte Bernd durch die Scheibe nichts hören, doch was er der unheimlichen Erscheinung von den Lippen las, reichte aus, ihn schaudern zu lassen. Feuer. Feuer. Feuer.
7
»Es tut mir wirklich leid, dass mein Mann Ihnen einen solchen Schrecken eingejagt hat«, entschuldigte Veronika sich von der Anrichte aus, wo sie beherzt die Rohmasse für ihre Frikadellen knetete.
»Er kann ja nichts dafür.« Bernd stellte seinen leeren Becher vor sich ab und machte die Beine unter dem Küchentisch lang. »Er hat nur am Fenster gestanden, mehr nicht. Ich bin eben schreckhafter, als ich aussehe.«
»Großer Mann ganz klein, hm?« Sie lachte. »Noch Kaffee?«
»Gern«, log er, obwohl sein Magen bereits die ersten Signale von Sodbrennen aussendete. Während Veronika zur Spüle ging, um sich den rosagrauen Brei von den Händen zu waschen, lugte Bernd aus den Augenwinkeln zu dem Mann, der mit ihm am Tisch saß. Klaus Möllner hatte die Statur eines Schwerathleten – breite Schultern, einen Stiernacken,kräftige Oberarme. Es hatte etwas Mitleiderregendes, mit welcher Sorgfalt er Daumen und Zeigefinger wie eine übergroße Pinzette verwendete, um nach den kleinen Stücken Schinkenbrot zu greifen, die seine Frau für ihn zurechtgeschnitten hatte. Obwohl er jedes von ihnen langsam zum Mund führte, war sein weißes T-Shirt voller Vollkornbrotkrümel, Butterflecken und Schinkenfetzen. Er kaute konzentriert und leitete jedes Schlucken mit einem tiefen Schnaufen ein.
Dampfender Kaffee plätscherte aus der Kanne in Bernds Becher. »Sie dürfen ruhig fragen.«
»Was?«
Sie schob ihm das Milchkännchen hin. »Was meinem Mann zugestoßen ist.«
»Ich wollte nicht aufdringlich sein.«
»Das sind Sie nicht«, beruhigte sie ihn und nahm sich von einer Reihe Haken an der Wand einen eigenen Becher, den sie bis zum Rand füllte. »Neugier ist keine Todsünde.«
»Da haben Sie recht.« Er lächelte. In seinem Kopf ratterte er reflexartig die sieben schwersten Laster herunter, denen ein Mensch frönen konnte: Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid, Faulheit. Die strengen Schwestern, die ihm diese Begriffe vor langer Zeit eingebläut hatten, wären nur wenig davon überrascht gewesen, dass er nur eine einzige dieser Sünden in seinem ganzen Leben nie auf sich geladen hatte. Geiz hatte man ihm beim besten Willen noch nie vorwerfen können, aber wenn die Nonnen mit ihren spirituellen Überzeugungen richtig lagen, hielt ihm der Teufel sicher schon ein schönes Plätzchen in der Hölle bereit. Er unterdrückte ein Seufzen, denn er hasste es, wenn sich die Ammenmärchen über Tod und Teufel und Sünde und Reinheit, die ihm die Nonnen erzählt hatten, trotz jahrzehntelanger mühsamer Verdrängungsversuche in seinem Denken bemerkbar machten. »Dann frage ich mal: Was ist Ihrem Mann zugestoßen?«
»Ein Unfall. Vor einem Jahr. Bei der Renovierung der Scheune.« Sie nippte an ihrem Kaffee. »Es ist ein Wunder, dass er überhaupt noch lebt. Ein Dachbalken ist auf ihn gefallen. Er lag fast zwei Monate im Koma, und eine Weile sah es danach aus, als ob er nicht wieder aufwachen würde.«
Bernd sah den Milchschlieren in seinem Becher dabei zu, wie sie den Kaffee weißten. Er fühlte sich peinlich berührt, wie sie von
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