Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
nachschauen, wie es ihr geht. Wegen … dieser Sache mit ihrem Onkel. Sie hat nicht aufgemacht. Egal. Ich mache einfach ein paar Frikadellen mehr. Das passt dann schon.«
»Na dann.« Bernd setzte sich wieder und sah Veronika zu, wie sie sich die Hände anfeuchtete und in geschickten Bewegungen den ersten Fleischklops formte. Sie deutete mit dem Ellenbogen auf die Kamera, die er in sicherer Entfernung vom Tisch auf einem Regal deponiert hatte. »Sie sind Fotograf?«
»Fast. Ich bin Fotojournalist.«
»Oh, toll.« Sie ließ die fertige Frikadelle in die Schüssel fallen und drehte den Wasserhahn auf, um sich die Hände zu waschen. »Würden Sie vielleicht ein Bild von mir und meinem Mann machen? Wir kommen nicht mehr so oft dazu, wissen Sie?«
Bernd hätte ihr diese Bitte niemals abschlagen können.
Sie nahmen rasch die Position für die Aufnahme ein: Klaus blieb, wo er war, Veronika stellte sich an seine Seite, und Bernd wich voller Ehrgeiz fast ganz bis zur Tür zurück, um einen möglichst schönen Winkel zu finden.
»Bitte recht freundlich!«, sagte er schließlich, und dabei fiel ihm auf, mit welcher Selbstverständlichkeit Veronika ihre Hand auf den Kopf ihres Mannes gelegt hatte – ohne jede sichtbare Spur von Scheu oder Ekel vor den Beulen und Kuhlen an seinem Schädel. Er drückte den Auslöser und wünschte sich, es gäbe auch in seinem Leben einen Menschen, der ihn auf die gleiche Weise berühren würde, sollte er je das Schicksal von Klaus Möllner teilen.
8
Sie stützte sich mit beiden Händen an der Reling ab und schaute in die schwarze stille See, in der sich die am nachtklaren Firmament verstreuten Sterne spiegelten wie winzige Glassplitter auf einem dunklen Tuch. In der Kälte gefroren die letzten Spuren der Tränen auf ihren Wangen zu einer dünnen Schicht Eis.
Sie hörte ein Wimmern und wollte nicht glauben, dass es aus ihrer Kehle kam. Nur Tiere, die man in die Enge getrieben hatte, gaben solche gequälten Laute von sich.
Der Wind fuhr ihr ins Haar, zerzauste es mit unsichtbaren Fingern. Sie stemmte sich gegen die Böe, gegen die grobe Liebkosung. Diesmal würde sie sich wehren. Diesmal würde sie stärker sein.
Warum war sie überhaupt dort geblieben? Sie hätte längst schlafen können. Wenn sie geschlafen hätte, wäre alles nie passiert.
Sie hasste die Gerüche, die an ihr klebten. Sie hasste den Schmerz, der sie unerbittlich an alles erinnerte. Sie hasste das Lachen, das immer noch in ihr nachklang. Doch am meisten hasste sie sich selbst.
Das Wasser unter ihr war eine verlockende Verheißung. Auf absolute Ruhe, absolute Stille, absolute Gefühllosigkeit. In einer Zeit, die ihr nun unzählige Jahrhunderte zurückzuliegen schien – irgendwann in einem anderen, besseren Leben –, hatte sie gelesen, dass es weitaus schlimmere Schicksale gab, als zu ertrinken. Damals hatte sie noch daran gezweifelt. Hatte geglaubt, dass jeder Tod, ganz gleich, wie er einen ereilte, furchtbar und grauenhaft sein musste. Sie wollte über ihr früheres Ich lachen, doch alles, was sie zustande brachte, war ein weiteres Wimmern. Neue Tränen schmolzen das Eis der alten für einen flüchtigen Moment, ehe sie selbst erstarrten.
Es wäre so einfach gewesen. Sie brauchte nur ein Bein über die Reling zu schwingen und sich nach vorn zu beugen. Das Wasser würde über ihrem Kopf zusammenschlagen. Ihre Kleidung würde sich vollsaugen, und sie würde tiefer und tiefer in die Finsternis hinabschweben. Schwerelos, wie in der endlosen Weite des Alls. Zu Beginn würde sich ihr Körper noch wehren, wenn das Wasser in ihre Lungen drang, um ihr auch von innen den letzten Rest Wärme zu rauben. Sie würde würgen, husten, sich krümmen. Doch nicht lange. Dann würde sie das kalte, schwere Wasser atmen, ohne dass sie daraus neue Kraft gewann. Sie würde müde werden und sanft hinüberdämmern, dorthin, wo es keinen Schmerz, keine Scham und keine Gedanken mehr gab.
9
Katja schlug die Augen auf, getrieben von einem Instinkt, der selbst im Schlaf nicht ruhte und sie davor warnte, dass sie nicht allein war. Sie glaubte, im Türrahmen eine verschwommene Gestalt auszumachen, leicht gebückt, den Kopf in Richtung des Bettes gewandt – mehr eine Ahnung als eine echte Wahrnehmung. Katja blinzelte, und die Gestalt war verschwunden.
Während sie dem wilden Pochen ihres Herzens lauschte, gewöhnten sich ihre Augen an die Dunkelheit. Die Tür zu ihrem Zimmer war geschlossen. Sie erschrak ein zweites Mal, als sie meinte, vor dem
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