Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
halten.
»Es sieht zumindest alles danach aus, als wäre er es gewesen«, sagte Möhrs. »Darf ich Sie was fragen?«
»Ist das schon Teil meiner Befragung als Zeugin?«
»Nein.« Er musste schmunzeln, weil er es nun auf unerklärliche Weise sogar ein wenig charmant fand, dass Jakobs ihre Kratzbürstigkeit anscheinend nie völlig ablegte. »Es ist mehr so eine Grundsatzfrage. Wir hatten eine Abmachung. Sie wollten mir im Vorfeld Bescheid geben, sobald Sie Ihre Ermittlungen weiter vorantreiben.«
»Mein Handy ist kaputt.« Sie zog eine Grimasse. »Ich weiß genau, wie sich das anhört. Es ist trotzdem die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Mir ist jemand draufgetreten, als es mir runtergefallen ist.«
»Runtergefallen …«, murmelte Möhrs.
»Und überhaupt …« Sie spielte am Reißverschluss ihrer Kapuzenjacke. »Streng genommen war das ja keine neue Spur, der ich nachgegangen bin. Die Quelle, von der ich die Bedeutung der Runen erfahren habe, das war Lüdersen. Ich war gestern schon mal hier. Ich wollte nur noch mal mit ihm sprechen, weil mir ein paar Dinge unklar waren.«
Er verzieh ihr die Wortklauberei. Was brachte es jetzt noch, sich darüber aufzuregen? »Und dann haben Sie ihn gefunden und uns per Telefon verständigt?«
»Genau so war’s«, bestätigte sie. »Und wenn ich mein Handy gehabt hätte, hätte ich auch definitiv keinen Fuß in sein Haus gesetzt.«
»Was haben Sie gemacht, während Sie auf uns gewartet haben?«
Sie neigte den Kopf zur Seite. »Jetzt sind wir doch bei einer Befragung, oder?«
»Sehen Sie es doch lieber so, dass ich ehrliches Interesse an Ihren Erlebnissen zeige«, schlug er vor.
»Okay.« Sie grinste schief. »Ich habe mich ein bisschen im Haus umgeschaut. Nur im Erdgeschoss.«
»Und?«
»Ich habe nichts gesehen, was Ihre Kollegen nicht auch schon gesehen hätten.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß nur nicht, welches von Lüdersens beiden Privatarchiven ich gruseliger finden soll. Das mit den ganzen Ordnern voller Zeitungsausschnitte über AKWs oder das mit seinen handverfassten Schriften über seinen Glauben.«
Möhrs hatte den zwei Räumen im hinteren Bereich des Hauses bisher nur einen flüchtigen Besuch abgestattet. Stickige Zimmer, die bis unter die Decke zugestellt waren und in denen es unangenehm nach altem Papier und Schweiß roch. Lüdersen hatte über Jahre hinweg wahre Berge an Material, die die brüchigen Fundamente seiner bizarren Weltanschauung gebildet hatten, angehäuft oder selbst geschaffen.
»Ich finde das komisch«, sagte Jakobs.
»Was?«
»Die beiden Hälften passen nicht zusammen«, erklärte sie. »Die eine befasst sich mit wissenschaftlichen Dingen. Strahlung, Krebs, Reaktorsicherheit. Die andere ist purer Glaube. Oder Aberglaube, je nachdem, wie man das sehen will. Rituale, Magie, alte Götter. Ich frage mich, wie Lüdersen das in seinem Kopf stimmig zusammengesetzt hat.«
»Gar nicht«, sagte Möhrs lapidar. »Dass er geistig nicht gesund war, darüber müssen wir uns wohl nicht streiten. So wie ich das einschätze, finden wir mehr über seine genauen Motive heraus, sobald wir seine Aufzeichnungen gesichtet haben. Aber dass ihm das Kraftwerk gegen den Strich ging,überrascht mich nicht. Damit ist er in Güstrow ja nicht allein. Und er war Biobauer. Die meisten Leute wie er haben kein großes Vertrauen in moderne Technik.«
»Die gehen aber deshalb noch lange nicht los und bringen wahllos Menschen um, die in einem AKW arbeiten«, merkte Jakobs an.
»Stimmt. Doch Sie sollten nicht vergessen, dass …« Vom Klingeln seines Handys abgelenkt, brachte Möhrs den angefangenen Satz nicht zu Ende. »Augenblick, ja?« Er nahm den Anruf entgegen. »Möhrs.«
»Ich bin’s. Aysel.«
»Aysel?« Das war schneller als erwartet. »Habt ihr schon was für uns?«
»Nur eine Kleinigkeit.«
Möhrs wandte sich halb von Jakobs ab und machte zwei Schritte auf das komische Zelt zu, das Lüdersen auf seinem Hof errichtet hatte. »Was gibt’s?«
»Wir sind mit der äußeren Beschau durch, und Martin macht die Leiche gerade auf. Ich warte auf die Ergebnisse für die toxikologischen Schnelltests. In ein paar Stunden wissen wir mehr.« Sie machte eine kurze Pause. »Ich will keine Unruhe stiften. Vielleicht ist das auch gar nicht so wichtig.«
»Was denn?«
»Es sah doch so aus, als hätte sich Lüdersen ein Auge entfernt, bevor er sich diesen Schnitt unter dem Rippenbogen zufügte?«
»Ja.« Möhrs rieb sich den Hinterkopf. Ihr Tonfall gefiel ihm
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