Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
nicht. »Was ist damit?«
»Das Auge hat schon vorher gefehlt.« Özen sprach schnell, als wollte sie etwaige Nachfragen umgehend unterbinden. »Da besteht von meiner Seite aus nicht der geringste Zweifel. Er hat trockenes Narbengewebe in der Augenhöhle. Das bedeutet, dass er sein Auge bereits vor einiger Zeit verloren haben muss. Ich tippe darauf, dass er ein Glasauge hatte. Gab es eines am Fundort?«
»Nicht, dass ich wüsste.« Möhrs gestand sich ein, dass er nicht wusste, was er mit dieser Information anfangen sollte. »Ich bin mir nicht sicher, ob das wichtig ist. Barswick meinte, Lüdersen hätte eine Szene aus den Göttersagen nachgestellt. Am Ende gehörte das zu seinem Ritual. Dass er nichts Künstliches an sich haben wollte, bevor er sich aufgehängt hat.«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte sie entschieden. »Wenn dem so wäre, hätte er auch nicht mehr alle Zähne im Mund gehabt.«
»Was?«
»Lüdersen hatte ein Teilgebiss, hinten rechts, und das hatte er auch eingesetzt, als er starb.«
»Okay.« Möhrs war noch nicht bereit, das fehlende Glasauge als echte Ungereimtheit zu betrachten. »Es könnte doch sein, dass – «
»Hey!«, rief Jakobs ihm zu. »Da winkt jemand nach Ihnen!«
Möhrs’ Blick folgte ihrem ausgestreckten Zeigefinger. Borowski stand im Scheunentor. »Komm mal bitte!«
Jakobs setzte sich schlendernd in Bewegung, als wäre die Aufforderung an sie gerichtet gewesen.
»Moment!«, versuchte Möhrs sie zurückzupfeifen. »So geht das nicht! Sie bleiben hübsch bei mir.«
Jakobs sah ihn über die Schulter hinweg an. »Sehr gern. Aber Sie werden doch wohl da drüben gebraucht, oder etwa nicht?«
»Lukas? Hallo? Lukas?«, kam es quäkend aus seinem Handy.
»Aysel?«, sagte er vorsichtig.
»Ja?«
Er zog den Kopf zwischen die Schultern, weil er wusste, dass seine nächsten Worte ihr nicht gefallen würden. »Ich muss leider Schluss machen.«
»Wieso? Was ist denn los?«, protestierte sie.
»Ich rufe gleich zurück. Versprochen.« Er kniff schuldbewusst die Lippen zusammen, beendete das Gespräch und trottete hinter Jakobs her. »Sie sind echt unmöglich.«
»Ich weiß«, entgegnete sie grinsend.
»Das glaubst du nicht.« Borowski winkte immer ungeduldiger, und in seinen Augen stand ein sonderbarer Glanz. »Das musst du sehen.«
Möhrs betrat die Scheune. Borowski führte ihn und Jakobs zum Heck von Lüdersens Lieferwagen, dessen Türen weit offen standen. »Hier.« Borowski zeigte auf eine Plastiktüte auf der Ladefläche, die als Unterlage für zwei Werkzeuge diente. Ein Zimmermannshammer und ein Teppichmesser. »Er war es«, keuchte Borowski. »Er war es wirklich.«
Sowohl der Kopf des Hammers als auch die Klinge des Messers waren mit rotbraunen Flecken gesprenkelt. In Möhrs’ Brust vermischten sich Befriedigung und Schrecken. Es war vorbei. Er hatte gewonnen. Er sah zu Jakobs. Ihr zugegebenermaßen recht hübsches Gesicht war starr und bleich. Im ersten Moment begriff Möhrs nicht, weshalb sie nicht einmal auch nur den leisesten Anflug von Erleichterung zeigte. Dann verstand er. Für ihn waren der Hammer und das Messer die unumstößlichen Beweise, dass mit Thies Lüdersen auch der Mörder gestorben war, der ihn vor die größte Herausforderung seiner bisherigen Laufbahn gestellt hatte. Für sie jedoch waren diese beiden Gegenstände die Folterinstrumente, mit denen ihr Onkel grausam gequält worden war, bevor man ihn umgebracht hatte. »Machen Sie sich keine Vorwürfe«, sagte er leise. »Sie haben getan, was Sie konnten, und Lüdersen hat bekommen, was er verdient hat.«
Sie nickte. »Ich würde jetzt gern zurück in meine Pension, wenn Sie nichts dagegen haben.«
»Können Sie fahren?«
»Ja.« Sie steckte die Hände in die Jackentaschen. »Es ist nicht weit.«
»Okay. Ich rufe Sie an. Wegen der Zeugenaussage. Der offiziellen. Spätestens morgen, ja?«
Ihr Abschiedsgruß bestand aus einem weiteren Nicken. Er schaute ihr nach, wie sie mit knappen, schnellen Schritten auf den Jaguar zuging. Barswick trat aus dem Haupthaus und fing sie auf halbem Weg ab. Die beiden wechselten ein paar Worte, dann stieg sie in die Edelkarosse, und Barswick quetschte sich hinter das Steuer seines Dienstwagens.
Möhrs stieß Borowski mit dem Ellenbogen in die Seite. »Sag mal, weißt du, wo der Boss hinwill?«
»Nö.« Borowski strich sich über den Schnauzbart. »Vielleicht macht er einen Termin für eine Pressekonferenz klar?«
»Kann sein.« Möhrs kaute auf seiner
Weitere Kostenlose Bücher