Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
waren.
»Was ist das?«, fragte Katja.
»Schau es dir aus der Nähe an.« Veronika drückte Katja die Taschenlampe in die Hand.
Bei aller Beklemmung über diese mysteriöse Hinterlassenschaft Lüdersens schöpfte Katja neuen Mut aus dem simplen Umstand, dass sie jetzt bestimmte, welche Teile der Umgebung aus der Dunkelheit gerissen wurden. Sie trat vorsichtig an den Haufen heran. Was war sein Zweck? Sie erkanntenirgendwo ins Holz eingeritzte Symbole, Amulette, die von den Zweigen hingen, oder irgendeinen anderen Hinweis auf eine kultische Bedeutung. Im Grunde sah dieser Haufen aus wie eine kleinere Version des Scheiterhaufens für das Güstriner Osterfeuer. War er das etwa? Hatte Lüdersen vorgehabt, ein Feuer zu entzünden? Handelte es sich hier um den Ort, an dem er sein nächstes Opfer hatte verbrennen wollen? Sie ging in die Hocke und leuchtete durch eine der zahlreichen Lücken im Haufen schräg nach unten. Etwas warf den Lichtschein funkelnd zurück. Metall. Hatte sie sich geirrt? Waren unter all diesem Zeug doch Gegenstände versteckt, die Lüdersen bei seinen Ritualen verwendet hatte? Messer? Münzen? Gefäße? Katja sah genauer hin und wünschte sich sofort, sie hätte es nicht getan. Was da funkelte, war das Armband einer Uhr. Einer Herrenuhr. Die verchromten Glieder waren an einigen Stellen blutverkrustet – ebenso wie die Hand des Toten, dem die Uhr gehörte. Seine von blassgelber Haut überzogenen Finger waren halb gekrümmt, als versuchte er noch als Leiche, sich einen Weg aus seinem Grab zu wühlen.
Katja fuhr herum – und blickte in die Mündung eines Revolvers.
»Es tut mir leid.« Veronikas Mundwinkel zuckten in ihrem durch das Licht der Taschenlampe geisterhaft bleichen Gesicht. »Sie sollten wissen, dass ich nichts gegen Sie persönlich habe.«
101
Der Schlaf entließ Bernd nur widerwillig aus seinen eifersüchtigen Armen. Ein ums andere Mal umklammerte er ihn und zog ihn zurück in die Bewusstlosigkeit, ehe er sich einemanderen Drang unterordnen musste. Durst. Bernd schluckte trocken. Die Zunge klebte ihm am Gaumen. Er hustete. Drehte sich vom Rücken auf die Seite. Sein linker Arm gehorchte ihm nicht richtig. Er war wie taub, als hätte er zu lange darauf gelegen. Hinter seiner Stirn spürte er einen hohlen Druck, wie wenn man ihm Luft in den Schädel gepumpt hätte. Was war mit ihm los? Hatte er sich eine Grippe eingefangen? Nein, ihm war nicht heiß, und er fror auch nicht. Aber er hatte Schwierigkeiten, einen klaren Gedanken zu fassen. Als hätte er eine Nacht durchgesoffen. Doch daran konnte es unmöglich liegen. Er hatte den ganzen Tag über nur Wasser oder Kaffee getrunken. Wasser. Trinken. Zwei einfache Ziele, auf die er sich konzentrieren konnte.
Er hatte keine Ahnung, wie lange es dauerte, bis er sich von der Matratze hochgewuchtet und auf Beinen wie aus Gummi ins Bad geschleppt hatte. Er beugte sich über das Waschbecken, drehte den Hahn auf und trank ausgiebig von dem zischenden Strahl. Nachdem er sich das Gesicht abgetrocknet hatte, setzte er sich zurück aufs Bett. Das Wasser in seinem Bauch gluckerte. Nun bereute er es, den Kaffee vorhin weggeschüttet zu haben. Inzwischen hätte er ihn auch kalt getrunken, um die bleierne Schwere aus seinen Gliedern zu vertreiben. Mit weggeschüttetem Kaffee verhielt es sich allerdings exakt genauso wie mit verschütteter Milch: Es lohnte sich nicht, darüber zu jammern. Er machte sich mit der Kanne auf den Weg in die Küche. Er würde Veronika um Nachschub bitten müssen. Noch so eine persönliche Demütigung …
Die Küche war dunkel und verlassen. Er schaltete das Licht ein. Tisch und Spüle waren saubergewischt, die Rollläden heruntergelassen. Mit ein bisschen Stöbern in den Schränken nach Filtern und Pulver hätte er sich selbst einen Kaffee kochen können, doch die eigentümliche Stille gab ihm zu denken. Er sah zur Uhr über der Tür. War das nicht die Zeit, in der Veronika hier sonst eigentlich für das Abendessenmit Töpfen und Pfannen wirbelte? Wo steckte sie? Er entschloss sich, in den Bereichen des Hauses nach ihr zu suchen, die ihm bislang noch verborgen geblieben waren. Er war Gast dieser Pension und durfte einen gewissen Service erwarten. Die Kanne nahm er mit, um Veronika notfalls beweisen zu können, dass es nicht nur bloße Neugier war, die ihn antrieb.
Das Wohnzimmer grenzte direkt an die Küche. Es war geräumig und so frisch renoviert, dass er die Wandfarbe noch zu riechen glaubte. Indirekte Beleuchtung, dunkle
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